Letzter Kirtag: Ein Altaussee-Krimi
herangelassen hat. Möglicherweise sogar im Liegen, der Täter muss dann auf ihm – oder unter ihm – gelegen haben. Vielleicht“, Doktor Kapaun kicherte und schlug sich auf den Oberschenkel, „hat ihm ja eine das Lichterl ausgeblasen, anstatt ihm einen zu blasen!“ Die Miene der Frau Doktor blieb steinern, während der Doktor Kapaun Gasperlmaier und dem Kahlß Friedrich verschwörerisch zuzwinkerte. Gasperlmaier reagierte nicht, er hatte mit Humor, der mit dem Holzhammer vorgetragen wurde, noch nie viel Freude gehabt. Der Friedrich entließ, wie aus lauter Freundlichkeit, ein paar Seufzer, die notfalls als Lacher durchgehen konnten. „Sonst noch was?“, fragte die Frau Doktor. Der Arzt zuckte mit den Schultern. „Übrigens, Frau Doktor, kennen Sie den? Ein Mann fährt bei Rot über die Kreuzung und wird von einer jungen, hübschen Politesse aufgehalten …“ Die Frau Doktor unterbrach ihn. „Herzlichen Dank für Ihre Mühe. Ich bin mir sicher, dass Sie dringend wieder an Ihren Arbeitsplatz zurückmüssen. Wir erwarten Ihren Bericht. Und, übrigens, es gibt keine Politessen. Nur Polizistinnen.“ Sie stand mit einem Ruck auf, sodass ihr Stuhl nach hinten kippte. „Auf Wiedersehen!“ Ohne ihm die Hand zum Gruß anzubieten, wandte sie sich ab und ging ein paar hastige Schritte in Richtung Seeufer. „Was hat sie denn? Überarbeitet? Stress in der Beziehung?“ Immer noch schaffte es der Doktor Kapaun, sein dämliches Grinsen stabil zu halten. Weder Gasperlmaier noch der Kahlß Friedrich mochten ihm antworten, doch ohne dass Gasperlmaier danach gesucht hätte, fand er schlagartig die richtigen Worte: „Darf ich Sie zu Ihrem Wagen begleiten, Herr Doktor, oder finden Sie selber hin?“ Der Kahlß Friedrich hielt sich die Hand vor den Mund und begann zu prusten. „Frechheit!“, ließ sich der Herr Doktor vernehmen, dem jetzt doch das Gesicht eingefallen war. Er nahm seinen Koffer und entfernte sich.
Gasperlmaier, überrascht von seiner eigenen Schlagfertigkeit, trat zu Frau Doktor Kohlross. „Er ist schon weg!“, versuchte er sie zu beruhigen. „So ein Aff, ein blöder! Ich werd’ mich über ihn beschweren. Und dafür sorgen, dass ich nie mehr mit ihm zu tun habe!“ Die Frau Doktor hatte sich, wie schon einmal in einem besonders belastenden Moment, eine Zigarette angezündet. „Nehmen Sie’s nicht so schwer!“, nahm Gasperlmaier zu einer Floskel Zuflucht. Die Frau Doktor lächelte und Gasperlmaier schien es, als begänne er schön langsam den richtigen Ton im Umgang mit ihr zu finden. Jedenfalls, so dachte er bei sich, war jetzt eindeutig der Mediziner der gewesen, der sich danebenbenommen hatte. Und Gasperlmaier hatte ihm sogar etwas voraus: Während er sich sicher war, dass der Doktor Kapaun seine eigene Peinlichkeit nicht einmal wahrnahm, war sich Gasperlmaier der seinen immer öfter schmerzhaft bewusst.
Die Frau Doktor warf ihre Zigarette weg, ohne sie auszudämpfen, und setzte sich wieder an den Tisch. Gasperlmaier bohrte den rauchenden Rest mit dem Absatz in die sumpfige Erde. Erst dann folgte er ihr.
Sie legte beide Hände auf die Tischplatte, als der Paul mit dem Bier für den Doktor Kapaun über die Stufen herunterkam. „Wo ist er denn?“, fragte er Gasperlmaier, der ihm gestikulierend darlegte, dass der Doktor Kapaun bereits gegangen war. „Und wer zahlt jetzt?“ „Gib’s halt her.“ Der Wiederstand des Kahlß Friedrich war gebrochen. Er nahm dem Paul das Bierglas aus der Hand, wandte sich um, um zu sehen, wo die Presseleute sich aufhielten, sah sie in sicherem Abstand, setzte die Halbe an und trank sie in einem langen, tiefen Zug aus. Stöhnend reichte er dem Paul das leere Glas, während ihn die Frau Doktor mit großen Augen fast ein wenig bewundernd ansah. „So!“, sagte der Friedrich, „Weiter!“
„Also!“, konzentrierte sich die Frau Doktor. „Frau Naglreiter tot. Aus dem Boot gekippt. Doktor Naglreiter auf dem Kirtag, betrunken, allein im Dunkeln, jemand kommt ihm sehr nahe, stößt ihm ein Messer in den Bauch. Vielleicht sogar sein Messer, muss also nicht sein, dass der Täter – oder die Täterin – ein eigenes mitgebracht hat. Er hält ihn fest, will sich wehren, spürt das Messer an seinem Oberschenkel, zieht es raus – und zack!“
„Dem Stefan ist anscheinend sein Mörder auch sehr nahe gekommen“, merkte Gasperlmaier an. „Stimmt“, sagte die Frau Doktor. „Und was sagt uns das? Dass es sich um Beziehungstaten handelt. Mafiamörder oder Auftragskiller
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