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Letzter Mann im Turm - Roman

Letzter Mann im Turm - Roman

Titel: Letzter Mann im Turm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Standmixer, die cholerisch rumpelten.
    Ein metallisches Schneidegeräusch mahnte Masterji, langsamer zu gehen.
    BERÜHMTER FRISIERSALON
    Das war der Orientierungspunkt, der in der Anzeige genannt war. Der nächste Eingang musste in das Loyola Trust Building führen.
    Die Tauben, die auf den Metallgittern der Fenster landeten, ließen ein Dauergurren ertönen, als er hineinging; ein Schössling war durch das Kranzgesims des Eingangs gestoßen. Im Eingangsbereich kein Empfang, kein Firmenschild. Ein Metallkäfig umgab den Aufzugschacht, als wollte er den Aufzug beschützen, der offenbar ohnehin kaputt war. Masterji war sich sofort über die Geschichte dieses Gebäudes im Klaren. Der Hausbesitzer konnte aufgrund des Mieterschutzrechts seine Mieter nicht zum Auszugzwingen; wahrscheinlich war seit 1950 die Miete nicht mehr erhöht worden, und er rächte sich, indem er nicht einmal für das Elementarste sorgte: Licht, Sicherheit und Sauberkeit. Man konnte ihn beinahe hören, wie er jede Nacht zu Gott betete: Mach, dass meine Mieter die Treppe runterfallen, sich die Knochen brechen, in einem Hausbrand verschmoren.
    Je weiter Masterji die Treppe hochstieg, desto dunkler wurde es. Ein dichtes schwarzes Kabelgewirr zog sich kreuz und quer über den alten Anstrich und die Backsteine wie etwas Lebendiges. Er konnte sogar den beißenden Gestank der Kakerlaken an der Wand riechen. Er hörte weiter oben im Haus Stimmen.
    «In dieser Stadt gibt es drei große Gefahren.»
    «Drei?»
    «Drei. Kinder, Ziegen und noch eine dritte Sache, die mir gerade nicht einfällt.»
    «Kinder sind eine Gefahr?»
    «Die größte. Verantwortlich für die Hälfte der Verkehrsunfälle in dieser Stadt.
Die Hälfte!»
    Er stieg noch einige Stufen höher und erblickte in einer dämmrigen Nische einen bleichen, schmerbäuchigen Ganesh, der an eine weiche weiße Ratte erinnerte, die in einem Treppenhaus lebt. Hier oben schien es keinen Strom zu geben, und einige uniformierte Männer saßen unter einer Petroleumlampe. Unbehelligt ging er an den Männern vorbei, als einer von ihnen ausrief: «Jetzt fällt mir die dritte Gefahr wieder ein! Jetzt fällt’s mir wieder ein! Soll ich’s euch sagen?»
    In einem dämmrigen Korridor verkündete ein helles Metallschild an einer geöffneten Tür:
    PAREKH UND SÖHNE
ANWÄLTE
«BISSIGER ADVOKAT MIT HERZ UND GEWISSEN»
    Ein kleiner Mann in einer grauen Uniform saß auf einem Holzhocker vor einer Glastür. Hinter seinem Ohr ein roter Bleistift.
    «Sie wollen wen sprechen?», fragte er und griff nach dem Bleistift.
    «Ich benötige juristischen Beistand. Einer meiner Bekannten hat mir von Mr Parekh erzählt.»
    Der Mann schrieb mit dem Bleistift in die Luft. «Wie heißt Ihr Bekannter?»
    «Eigentlich war es der Bekannte eines Bekannten. Er hat Mr Parekhs Dienste in Anspruch genommen.»
    «Sie wollen also wen sprechen?»
    «Mr Parekh.»
    «Welchen
Parekh?»
    «Den bissigen Anwalt mit Gewissen. Wie viele davon gibt es?»
    Der Bote hielt vier Finger hoch.
    Er ging ins Büro, den roten Bleistift wieder hinterm Ohr; Masterji setzte sich auf einen Stuhl und hob die Füße, als eine alte Dienerin mit einem nassen Lappen den Boden wischte.
    Der Bote hatte offensichtlich herausgefunden, nach welchem Parekh er suchte, öffnete die Glastür und winkte ihn mit dem roten Bleistift heran.
    Masterji trat in das Neonlicht und den Luftzug aus der Klimaanlage.
    Durch die niedrige, dunkle Holzdecke mutete das Büro wie eine Kajüte an; ein Mann mit dicken Brillengläsern saß unter einer riesigen gerahmten Fotografie von Angkor Wat mit dem Schriftzug «Größter Hindutempel der Welt».
    Die Luft roch nach Desinfektionsmittel.
    Mr Parekh – Masterji nahm an, dass es sich um ihn handelte – trank Tee. Er putzte sich mit einem Taschentuch die Nase und drehte sich zur Seite, um in einen Spucknapf zu spucken, ehe er sich wieder seinem Tee zuwandte; er glich einem hydrostatischen System, das nur durch die ständige Aufnahme und Abgabe vonFlüssigkeiten am Laufen gehalten wird. Wie mit den Flüssigkeiten schien es auch mit den Informationen zu sein, er sprach gleichzeitig in ein zwischen Kinn und Schulter geklemmtes Handy, unterzeichnete Papiere, die ihm sein Mitarbeiter hinlegte, und irgendwie gelang es ihm dabei auch noch, Masterji zuzuflüstern: «Tee? Möchten Sie Tee, Sir? Setzen Sie sich, setzen Sie sich.»
    Er legte das Handy weg, trank seinen Tee aus, drehte sich zur Seite, spuckte aus und sagte dann: «Schildern Sie mir Ihr

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