Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Letzter Mann im Turm - Roman

Letzter Mann im Turm - Roman

Titel: Letzter Mann im Turm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
Vom Netzwerk:
Problem.»
    Der Rechtsanwalt war kahl, seine Kopfhaut babyrosa, doch drei unvergängliche Silbersträhnen zogen sich von der Stirn bis in den Nacken. Eine Krankheit, die möglicherweise mit der Farbe seiner Kopfhaut zusammenhing, hatte seine Brauen weggefressen, und so betrachteten seine Augen Masterji mit alarmierender Offenheit. Eine Kette mit Goldmedaillon baumelte über seinem weißen Hemd. Die Größe des Goldmedaillons deutete darauf hin, dass Mr Parekh den Leiden in seinem Leben getrotzt, sie überlebt hatte und zu Wohlstand gekommen war.
    Er schlürfte seinen Tee, lauschte Masterjis Geschichte mit unausgesetzt blinzelnden Augen (Masterji fragte sich, ob sich die fehlenden Augenbrauen auf den Wimpernschlag auswirkten) und wandte sich dann an einen jüngeren Mann, der schweigend auf einem Stuhl in der Ecke saß.
    «Ich kenne die Vishram Society. Ist ein berühmtes Gebäude in Vakola.»
    Der junge Mann sagte: «War mal eine wilde Gegend. Jetzt ist es ein aufstrebendes Viertel.»
    «Diese Bauherren –
alles
Kriminelle. In nichts als
dubiose
Aktivitäten verstrickt. Wer ist dieser Confidence-Shah? Bestimmt so eine Slumratte.»
    Der jüngere Mann sagte: «Ich glaube, ich habe schon mal von ihm gehört. Hat Sanierungen in der Mira Road durchgeführt. Oder vielleicht war’s Chembur.»
    Der alte Parekh fuhr sich mit der Hand über die drei langen Silbersträhnen.
    «Eine
Slumratte.»
Er lächelte Masterji an. «Sie sind hier richtig, Sir. Sie sehen einen Mann vor sich, der jeden Tag mit einem guten Dutzend dieser Slumratten fertig wird. Aber zuerst müssen wir herausfinden, wie das Auge des Gesetzes Ihre Situation beurteilt. Und das Gesetz hat ein sehr scharfes Auge: Sind Sie der Eigentümer dieses Hauses oder ein Vertreter des besagten Eigentümers?»
    «Ich lebe seit dreißig Jahren in diesem Haus. Seit ich nach Vakola gekommen bin, um an der Schule zu unterrichten.»
    «Sie sind Lehrer?» Mr Parekh fiel die Kinnlade runter. Er schnäuzte sich ins Taschentuch. «Es ist gegen den hinduistischen Glauben, einen Lehrer zu bedrohen. Ich habe sowohl westliches Recht als auch indisches Recht studiert, Sir. Ich habe sogar den größten Tempel der Welt gesehen», er klopfte gegen die glasgeschützte Fotografie, «Angkor Wat. Zeigen Sie uns bitte mal Ihre Mitgliedsurkunde der Wohnungsgenossenschaft», sagte er mit wissbegierigen Fingern, «sofort, sofort!» Masterji fühlte sich, als hätte man ihn in der Arztpraxis aufgefordert, sich frei zu machen. Er hatte das Dokument mitgebracht und holte es aus der Mappe.
    «Die Urkunde ist auf den Namen Ihrer Frau ausgestellt.»
    «Sie hat mich in ihrem Testament als Erben eingesetzt.»
    «Man hätte sie auf Ihren Namen umschreiben sollen. Aber wir kommen auch so zurecht. Solange Ihr Testament sicher verwahrt ist.»
    Er gab die Urkunde dem jungen Mann, der damit beinahe aus dem Büro rannte.
    Masterjis gesamter Rechtsanspruch auf Wohnung 3 A der Vishram Society lag nun nicht mehr in seinen Händen. Er folgte der Reise dieses Dokuments – zuerst anhand der Schritte, dann des Knarrens der Holzdielen über seinem Kopf – in das Gehäuse einer Maschine, wahrscheinlich eines Kopierers; Walzen bewegten sich, Lichter blitzten auf. Seine Urkunde, sein Anspruch auf einen Teilder Vishram Society, wurde vervielfältigt. Seine Rechtsposition schien bereits gestärkt. Dann erklangen Knarren und Schritte in umgekehrter Reihenfolge, und der junge Mann betrat wieder mit der Originalurkunde und drei Fotokopien das Büro. Er zog seinen Stuhl neben den Parekhs; beinahe Wange an Wange studierten die beiden Männer die Urkunde. Vater und Sohn, beschloss Masterji.
    «Es gibt in dieser Sache noch einen weiteren Kläger», sagte er. «Mr Pinto. Meinen Nachbarn.»
    Parekh senior sprach als Erster.
    «Hervorragend. Das verdoppelt den Rechtsanspruch in dieser Sache. Nun, laut Mofa-Gesetz –»
    Ein Flüstern des jungen Mannes. «Er weiß vielleicht nicht …»
    «Sagt Ihnen Mofa etwas?», fragte Parekh, und Masterji lächelte kleinlaut.
    «Maharashtra Ownership of Flats Act, 1963. Mofa – das Gesetz unseres Bundesstaates zum Wohneigentum.»
    «Mofa», stimmte Masterji zu. «Mofa.»
    «Laut Mofa-Gesetz von 1963», der alte Rechtsanwalt hielt inne und holte Luft, «und auch laut MSCA-Gesetz von 1960, was so viel heißt wie Maharashtra Co-operative Societies Act, das Gesetz für Wohnungsgenossenschaften, sind Sie der Einzige, der einen Rechtsanspruch auf besagte Wohnung hat. Die Genossenschaft kann Sie nicht

Weitere Kostenlose Bücher