Letzter Mann im Turm - Roman
dazu zwingen, besagte Wohnung zu verkaufen, nicht einmal durch Mehrheitsbeschluss. Dies wird durch das Urteil des Bombayer Gerichts von 1988 bestätig, nachzulesen in
Bombay Cases Reporter 1988,
Band 1, Seite 443.»
«443?», bezweifelte der andere Mann. «Nicht Seite 443, Mr Parekh, sondern Seite 444.»
Mr Parekh? Also nicht sein Sohn,
dachte Masterji.
Der alte Mann schloss die Augen.
«444. Berichtigung bestätigt.
Bombay Cases Reporter 1988,
Band 1, Seite 444. Dinoo F. Bandookwala gegen Dolly Q. C. Mehta.Der Richter hat aufgrund authentischer Interpretation von Mofa und MCSA klar und deutlich festgestellt, dass weder die BMC, also weder die Stadtverwaltung, noch die MHADA, die Wohnungsbaubehörde des Bundeslandes, noch die Wohnungsgenossenschaft der Eigentümer und Treuhänder der Wohnung sind, sondern besagter Eigentümer. Und in diesem Fall also Ihre werte Person, stellvertretend als gesetzlicher Erbe Ihrer verstorbenen Frau. Also ist Zuversicht berechtigt und ein Sieg zu erwarten. Laut authentischer Interpretation des Mofa-Gesetzes von 1963 und des MCSA von 1960.»
Masterji nickte. «Ich kann Sie nicht bezahlen. Es ist ein Fall, den Sie im öffentlichen Interesse übernehmen müssen. Denn die Sicherheit der älteren Mitbürger in dieser Stadt steht auf dem Spiel.»
«Verstehe, verstehe», sagte Parekh. «Zahlung nur im Erfolgsfall, das ist meine Lebensdevise.»
«Sie können Ihre Rechnung begleichen, wenn ein Vergleich erzielt worden ist», erklärte der jüngere Partner lächelnd.
«Meine Mitgliedsurkunde bitte.» Masterji streckte die Hand aus. Der Rechtsanwalt rührte sich nicht, deshalb beugte er sich vor und zog sie ihm beinahe aus den Händen. Nun fühlte er sich stark genug, um zu sagen: «In dieser Angelegenheit wird es keinen Vergleich geben.»
«Irgendwann
wird es einen Vergleich geben», korrigierte ihn Parekh.
«Wie lange gedenken Sie und Ihr Mr Pinto dieser Slumratte Widerstand zu leisten?»
«Für alle Ewigkeit.»
Einen Augenblick lang schien alles im Büro stillzustehen; die Flüssigkeiten in Parekhs Kopf hörten auf zu kreisen, die Ratten in den Wänden und die Termiten in der alten Holzdecke hörten auf zu nagen, selbst die Partikel des Desinfektionsmittels, die durch die Luft schwirrten, hielten mit ihrer Ausbreitung inne.
Parekh lächelte. «Wie Sie wünschen. Wir nehmen es also mit ihm auf …» Er drehte sich zum Spucknapf. «Für alle Ewigkeit.»
Mit einer in Zeitungspapier eingewickelten Papaya unter dem Arm kehrte Masterji nach Vishram zurück. Am Tor warteten Ajwani der Verwalter, Mr Ganguly aus dem fünften Stock, Ibrahim Kudwa und der Wachmann.
Sie machten ihm nicht Platz. Ajwanis Hand umklammerte die Klinke.
«Gentleman», sagte er, «ein
englischer
Gentleman.»
Masterji glaubte, sie hätten von seinem Besuch beim Rechtsanwalt gehört, und sagte: «Es ist mein Recht, mein Recht als Bürger, einen Rechtsanwalt aufzusuchen.»
«Er weiß es noch nicht», rief Ram Khare. «Lasst ihn rein, damit er es erfährt. Bitte. Es ist eine schwere Stunde für die Genossenschaft.»
Ajwani nahm die Hand von der Klinke. Als Masterji hereintrat, sagte der Wachmann: «Ich habe Ihnen gesagt, dass das passieren würde, Masterji. Gott hat gesehen, dass ich meine Pflicht getan habe.»
Er sah Leute um die Plastikstühle herumstehen; die beiden Pintos waren die Einzigen, die saßen. Mr Pintos Fuß trug einen Verband und lag auf einem Kissen. Mrs Puri betupfte Mrs Pintos Stirn mit einem angefeuchteten Zipfel ihres Saris.
Als sie Masterji sah, stieß sie einen schrillen Schrei aus: «Hier kommt der Irre!»
Ajwani und der Verwalter gingen zusammen mit Mr Ganguly hinter Masterji her.
«Was ist mit Ihnen passiert, Mr Pinto?»
«Schaut ihn euch bloß an, da fragt er auch noch!», sagte Mrs Puri. «Tut ihm das erst an und dann so, als wüsste er von nichts. Erzählen Sie es ihm, Mr Pinto, erzählen Sie’s schon.»
Der alte Mann gehorchte. «Er hat gesagt, er würde … meinerFrau … was antun, in ihrem Alter, ist doch alt genug, seine Großmutter sein zu können. Er … hat gesagt, dass er nächstes Mal mit einem Messer wiederkommen würde … er … und dann bekam ich Angst und fiel in den Graben.»
«Wer
hat das zu Ihnen gesagt?» Masterji kniete sich neben seinen ältesten Freund, um mit ihm auf Augenhöhe zu sein. «Wann ist das passiert?»
«Draußen vorm Tor … Shelley und ich haben einen Spaziergang gemacht … Es muss so gegen 16 Uhr gewesen sein, und dann hörte ich diesen
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