Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Letzter Mann im Turm - Roman

Letzter Mann im Turm - Roman

Titel: Letzter Mann im Turm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
Vom Netzwerk:
ein Sandwich über einen Papiertellermit eingekerbtem Rand, auf dem Kometen von Minzchutney erstrahlten. Er biss in das Sandwich, tippte während des Essens mit einem Finger weiter und murmelte, unterbrochen von schnaufenden Atemzügen:
    «… Thema … Allgemein … Wa-sser … In-stand-hal-tung …»
    Der Besucher klopfte mit dem Handrücken an die Tür.
    «Ist hier eine Wohnung frei, zur Miete?»
    Der Mann mit dem Sandwich, Mr Kothari, Verwalter von Turm A der Vishram Society, hielt mit dem Finger über der alten Remington inne.
    «Eine ist frei», sagte er, «setzen Sie sich.»
    Er ignorierte den Besucher und fuhr mit Tippen, Essen und Murmeln fort. Drei beschriebene Blätter lagen auf seinem Schreibtisch, und er hob sie nacheinander hoch und las mit lauter Stimme: «… Fragebogen der Gemeindeverwaltung. Haben alle Kinder im Gebäude an der Schluckimpfung teilgenommen? Wenn ja, stellen Sie freundlicherweise … wenn nicht, stellen Sie …»
    Neben der Schreibmaschine lag ein kleiner Hammer. Das Schreiben zur Polioimpfung in der einen Hand, das Hämmerchen in der anderen, stand der Verwalter auf, ging zur Anschlagtafel und öffnete die Glasabdeckung. Der Besucher sah, wie der Verwalter das Blatt mit einem Nagel fixierte. Mit drei schnellen Schlägen – tock, tock, tock – trieb er den Nagel ins Holz und schloss die Abdeckung wieder. Das Hämmerchen kam zurück an seinen Platz neben der Schreibmaschine.
    Wieder auf seinem Stuhl, hob der Verwalter das nächste Blatt hoch. «… Beschwerde von Mrs Rego. Riesenwespen überfallen … warum zahle ich monatliche Instandhaltungskosten, wenn die Society keinen Kammerjäger …» Er zerknüllte es.
    Und dann das letzte Blatt. «… Beschwerde von Mrs Rego. Ram Khare hat wieder getrunken. Er sollte durch einen nüchternen, gewissenhaften … Warum zahle ich monatliche Instandhaltungskosten …» Er zerknüllte es.
    Er wollte gerade weitertippen, da erinnerte er sich an den Besucher.
    «Sie wollen eine Wohnung kaufen, sagten Sie?», fragte er hoffnungsvoll.
    «Mieten.»
    «Gut. Was für einer Arbeit gehen Sie nach?»
    «Chemikalien.»
    «Gut. Sehr gut.»
    Dunkelhäutig, groß, aufrecht, in ein ordentlich gebügeltes Hemd mit Button-down-Kragen und baumwollene Bundfaltenhosen gekleidet, gab der Besucher dem Verwalter keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass er in einer gediegenen Branche wie Pharmazie oder Chemie tätig war.
    «Momentan ist streng genommen nichts frei», gestand der Verwalter, als die beiden Männer die Treppe hochstiegen. («In 99 Prozent der Fälle funktioniert der Lift.») «Aber ich kann Ihnen im Vertrauen sagen, dass der Eigentümer von 3 B mit der
derzeitigen Situation
nicht ganz glücklich ist.»
    Ein Ekzem aus blauhäutigen Göttern, bärtigen Menschengöttern und Christussen mit Heiligenschein bedeckte die Metalltür von 3 B – ökumenisches Zeugnis verschiedener Mieter, von denen jeder die Ikonen seines eigenen Glaubens hinzugefügt hatte, ohne die der anderen Religionen zu entfernen –, sodass man unmöglich erkennen konnte, ob der derzeitige Mieter Hindu, Christ oder Mitglied eines Mischkultes war, der nur in diesem Gebäude ausgeübt wurde.
    Er wollte eben an die Tür klopfen, aber dann hielt der Verwalter inne; seine Faust wäre auf dem Sticker mit dem Jesusgesicht gelandet. Er suchte mit der Hand nach einer der wenigen leeren Stellen, klopfte vorsichtig; nach einem weiteren Klopfen benutzte er seinen Generalschlüssel.
    Die Schranktüren standen weit auf, der Boden war ein Archipel aus Zeitungen und Unterwäsche; der Verwalter musste erklären,dass 3 B momentan an eine im höchsten Maße unerfreulich ledige junge Frau vermietet war, eine berufstätige Journalistin. Der Fremde blickte auf die abblätternde graue Farbe und die Spuren von Wasserschäden an der Wand; der Verwalter schickte sich an, die offizielle Erklärung von sich zu geben: «Während des Monsuns beschmutzt das Regenwasser die Wände, aber der Fußboden ist davon nicht betroffen.» Er hatte alle offiziellen Antworten auf die üblichen unangenehmen Fragen parat – wie viele Stunden fließend Wasser, wie viel Flugzeuglärm nachts, ob der Strom ausblieb.
    Der Fremde stieg über ein Unterwäschesammelsurium, berührte die Wand, kratzte an der abblätternden Farbe und roch daran. Er wandte sich an den Verwalter, zog ein rot gestreiftes Notizbuch heraus und befeuchtete einen Finger an seiner Zunge.
    «Ich möchte einen rechtlichen Abriss der Türme A und B.»
    «Einen

Weitere Kostenlose Bücher