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Letzter Mann im Turm - Roman

Letzter Mann im Turm - Roman

Titel: Letzter Mann im Turm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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kommen und mit ihm reden. Tu es für deine Tante Sangeeta, ja?»
    Sie wischte das Handy abermals am Unterarm ab, legte es auf den Tisch und wandte sich ihrem Sohn zu.
    «Ist das denn zu glauben, Ramu? All diese Mangos, all die Jahre.Ich habe sie in dünne Streifen geschnitten und in seinen Kühlschrank gestellt. Du erinnerst dich doch daran?»
    Sie konnte hören, wie Masterji den Kühlschrank öffnete, um sich ein Glas kaltes Wasser einzuschenken.
    «Was für ein selbstsüchtiger, habgieriger alter Mann er geworden ist, Ramu. Er will uns unsere Holzschränke wegnehmen. Das Böse muss von meinem Glück erfahren haben. Auch diesmal wieder.»
    Ramu steckte sich die Finger in die Ohren. Sein Gesicht fing an zu zucken; seine Zähne klapperten. Mrs Puri wusste, was nun kommen würde, aber er war schneller, rannte zur Toilette und knallte die Tür zu. Nein, er würde die Tür nicht für Mummy aufmachen.
    «Ramu, ich verspreche dir, ich werde nichts Böses mehr über Masterji sagen.»
    Endlich öffnete sich die Tür, aber Ramu wollte nicht von der Toilettenschüssel aufstehen. Sie atmete so normal wie möglich, um ihm zu zeigen, dass sie nicht wütend auf ihn war, dass er
keine
stinkende Sauerei gemacht hatte; Mummy wusch ihm mit einem Becher Wasser den Hintern sauber, wechselte seine Hose und steckte ihn mit Spider-Man und dem netten Entchen ins Bett.
    Sie ließ sich mühsam auf die Knie nieder und schrubbte den Fußboden sauber. Wenn er verängstigt war, traf er die Toilettenschüssel nicht.
    Als sie die Tür zu seinem Zimmer öffnete, hatte Ramu sich aufgesetzt und hielt die Kladde, in die sein Vater Eidechsen und Spinnen gezeichnet hatte, so, dass das nette Entchen die Bilder ebenfalls sehen konnte.
    Draußen, direkt vor seinem Zimmer, fing ein Vogel an zu trillern, die Töne waren lang gezogen und spitz wie ein eingefädelter Faden, als flickte er eine eingerissene Ecke der Welt wieder zusammen. Mutter und Sohn lauschten gemeinsam.
    Als Mrs Puri die Treppe hinunterging, stieß sie auf dem ersten Treppenabsatz auf drei Frauen, die sich leise unterhielten.
    «Er spielt den ganzen Tag mit seinem Zauberwürfel. Aber hat er eine Lösung?», fragte Mrs Kothari, die Frau des Verwalters. «Er ist wie ein schwarzer Klotz.»
    «Will es nicht mal seinem Sohn zuliebe tun. Oder seinem Enkel», sagte Mrs Ganguly.
    «Das ist diese junge Frau von nebenan. Sie hat ihn verrückt gemacht», sagte Mrs Nagpal aus dem ersten Stock.
    Sie verstummten, als Mrs Puri vorbeiging. Sie wusste, dass sie sie verdächtigten, mit Masterji zu sympathisieren.
    Am Tor bog sie nach links und ging an den Slums vorbei. Bald kam sie zur Baustelle, wo die beiden neuen Confidence-Gebäude errichtet wurden. Unter den blauen Abdeckplanen wurden die Granit- und Marmorfliesen trotz des Regens weiterverlegt. Es begann zu nieseln. Sie wartete unter ihrem Regenschirm und hoffte, dass Ramu nicht aufwachte.
    Ein Mann kam aus einem der Gebäude auf sie zugerannt. Er schlüpfte unter ihren Regenschirm; sie sprach, und er hörte zu.
    «Mrs Puri», Shanmugham lächelte. «Sie sind eine Person mit Initiative. Erst letztes Jahr, bei einem Sanierungsprojekt in Sion, sind wir auf ein ähnliches Problem wie mit Ihrem Masterji gestoßen. Es gibt vieles, was wir tun können, und wir werden eins nach dem anderen ausprobieren. Aber Sie
müssen
mir und Mr Shah vertrauen.»

23. JULI
    Der Aufzug der Vishram Society bewegte sich wie ein Sarg auf Rädern. Drückte man einen Knopf, folgte ein lautes Klacken, Seile, Hebel und Ketten setzten sich in Bewegung. Durch das Gitterwerk der Metallblende vom offenen Aufzugschacht konnte man ein dunkles Holzrechteck sehen, ein Gegengewicht, das die Wand hinunterglitt, während der große dunkle Aufzugkorb, auf dem oben ein Lichtkranz leuchtete, mit kratzendem Geräusch an einem vorbei ins Stockwerk darüber fuhr. An ihm hing ein Schild: HALTE DEINE GENOSSENSCHAFT SAUBER.
    Masterji sah, wie der Aufzug an ihm vorbeifuhr, ehe die dunkle Masse rumpelnd im vierten Stock hielt. Ein Klicken ertönte, und die Tür ging auf, aber er hörte niemanden heraustreten.
    Es war eine dieser Geisterfahrten, die der Otis manchmal auf eigene Faust unternahm, um sich mit diesen gespenstischen Energieschüben für Wochen der Reglosigkeit zu entschädigen.
    Noch keine Kinder. Er ging in seine Wohnung zurück und ließ die Wohnungstür offen.
    Es war 19 Uhr an einem Montag. Zeit für die erste naturwissenschaftliche Nachhilfestunde der Woche. Die Deckenlichter waren

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