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Letzter Mann im Turm - Roman

Letzter Mann im Turm - Roman

Titel: Letzter Mann im Turm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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TAGESORDNUNG
    Alle Mitglieder haben einstimmig beschlossen, das vom Confidence-Konzern unterbreitete Angebot anzunehmen. Die Genossenschaftsmitglieder haben sich einstimmig mit der Auflösung der Genossenschaft und dem Abbruch des Gebäudes einverstanden erklärt.
    Es wurden keine weiteren Tagesordnungspunkte behandelt.
    Unterzeichnet im Namen des Vorstands von Vishram Turm A Ashvin Kothari,
Verwalter, Vishram Turm A
    Kopie 1 für die Mitglieder von Turm A, Wohnungsgenossenschaft Vishram Society
Kopie 2 für den Verwalter von Turm A, Wohnungsgenossenschaft Vishram Society
Anmerkung: Die Unterschriften aller Genossenschaftsmitglieder sind weiter unten aufgeführt, neben den Nummern ihrer jeweiligen Wohneinheiten (Quadratmeterzahl steht in Klammern)
    Der Verwalter trat lächelnd aus seinem Büro.
    «Was ist das?», fragte Masterji, den Zeigefinger am Schwarzen Brett. «Ich bin gerade erst zurückgekommen. Ich habe noch nichts unterschrieben.»
    Kothari kam ans Schwarze Brett, kniff die Augen zusammen und seine luchsartigen Lachfalten vertieften sich. «Ach, ich habe einfach ein bisschen Zeit sparen wollen, Masterji. Da Sie ja zugestimmt haben, dachte ich, ich schreib schon mal diese Bekanntmachung.»
    Masterjis Zeigefinger hatte sich nicht bewegt.
    «Habe ich zugestimmt? Wann habe ich zugestimmt? Ich habe nur gesagt, dass ich mit meinem Sohn reden werde. Das war alles.»
    Das Lächeln des Verwalters verschwand. «Es war eigentlich nicht meine Idee. Es war Ajwanis Idee. Er hat mich gezwungen, das auszuhängen, bevor Sie zurückkommen … er …»
    Er pflückte Masterjis Hand vom Glas und klappte es auf. Er zerriss das Blatt mit der Bekanntmachung, und eine Hälfte fiel zu Boden.
    «So, Masterji, sind Sie jetzt zufrieden?»
    War er nicht.
    «Wer gibt Ihnen das Recht zu behaupten, dass ich zugestimmt hätte? Warum behaupten Sie, dass ich unterschrieben habe?»
    «Danke, Masterji», sagte Mrs Puri, die die Treppe herunterkam. «Vielen Dank, dass Sie so an uns alle denken.»
    Masterjis Zeigefinger ruhte wieder auf dem Schwarzen Brett.
    «Sangeeta, wussten Sie, dass der Verwalter glaubt, er könne meine Unterschrift fälschen?»
    «Masterji!» Der Verwalter erhob die Stimme. «Machen Sie doch nicht so ein Drama daraus. Es ist doch bloß eine Kleinigkeit, wir haben einen kleinen Fehler gemacht. Außerdem war das nicht meine Idee! Es war Ajwanis!»
    Masterji hob das zerknüllte Blatt vom Boden auf und glättete es. Er las es nochmals durch.
    «Es ist eine Unterschrift», flüsterte er.
«Meine
Unterschrift!»
    «Mrs Puri …» Der Verwalter sah auf. «Sie setzen sich doch in diesem Haus so für ihn ein. Reden Sie bitte mit ihm.»
    «Masterji. Wir haben stundenlang auf Sie gewartet. Ich habe mich nicht einmal um Wasser für Ramus abendliches Bad gekümmert. Sie haben
wirklich
zu uns gesagt, dass Sie unterschreiben werden.»
    Eine andere Stimme dröhnte: «Geben Sie nicht uns die Schuld. Wir haben diese Bekanntmachung erst vor einer halben Stunde ausgehängt. Warum haben Sie denn so lange für die Rückfahrt gebraucht?»
    Ajwanis schmales, dunkles Gesicht war am Geländer im dritten Stock aufgetaucht.
    «Das stimmt, Masterji», sagte der Verwalter, «wenn Sie eine halbe Stunde
eher
da gewesen wären …»
    «Ich konnte nicht früher kommen … mir ging es nicht gut …»
    Aus allen möglichen Ecken des Treppenhauses blickten die Leute hinab, Mr Ganguly, Ajwani, Mr Puri, Ibrahim Kudwa, Mr Vij.
    Er wollte die kampfergeschwängerte Luft von Purnimas Schrank einatmen. Mrs Puri trat beiseite, um ihn durchzulassen. Der kranke Hund lag auf dem ersten Treppenabsatz, seine Glieder zitterten. Masterji blieb vor ihm stehen und sah zu seinen Nachbarn hoch. Es war, als befände er sich wieder an der Tür des Zugabteils, der warme Wind blies ihm in die Augen, und dieser andere Zug rauschte vorüber: Er sah, wie sich die Dämonengesichter um ihn scharten.
    Er sagte, sodass ihn alle hören konnten: «… habe nicht Ja gesagt und habe nicht Nein gesagt.»

SECHSTES BUCH
ANGST

15. JULI
    «… du hast gesagt, es sei
vorbei,
Shanmugham. Vor einer Woche hast du das gesagt.»
    Mr Shah fuhr durch das morgendliche Juhu, in die schwarzen Ledersitze seines Mercedes zurückgesunken, nahm Betel aus seiner blauen Dose, kaute und betrachtete das einzig Sehenswerte.
    Die ganze Nacht über war der Regen auf Mumbai niedergeprasselt, nun konterte das Meer.
    Sturmgeschwellt, mit dickem Schaum, der zischte wie Sodbrennen, ließ es Schwerkraft und Fels

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