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Letzter Mann im Turm - Roman

Letzter Mann im Turm - Roman

Titel: Letzter Mann im Turm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Morgenkatze, Ms Meenakshi», sagte Masterji und massierte sich die Kniescheibe. «Das war nicht Mrs Puri.»
    Seine Nachbarin rückte ihre sechseckige Brille zurecht, ehe sie die Tür schloss. «Warum ist Ihr Abfalleimer dann der einzige, der umgekippt ist?»
    An diesem Tag setzte sich Ibrahim Kudwa um 13 Uhr uneingeladen an den Mittagstisch der Pintos.
    Vielleicht, weil die anderen Kudwa, den einzigen Moslem im Haus, für aufrichtig hielten, oder vielleicht, weil er als Besitzer eines nicht sehr überlaufenen Internetcafés seinen Laden nachmittags verlassen konnte – er war in diesem Konflikt jedenfalls als neutral eingestuft worden und in dieser Funktion Abgesandter der restlichen Genossenschaft. Mitten beim Essen, als Nina, das Dienstmädchen, gerade dampfende
appams,
Reismehlfladen, servierte, sagte er: «Masterji, ich bin mit diesem Boykott nicht einverstanden.»
    «Danke, Ibrahim.»
    «Aber Masterji … Sie müssen verstehen,
warum
die Leute das machen. Sie verursachen in diesem Haus mit Ihrem seltsamen Verhalten viel Leid. Sie sagen, Sie unterschreiben, dann besuchen Sie Ihren Sohn und sagen, Sie unterschreiben nicht.»
    «Ich habe nie
Ja
gesagt, Ibrahim.» Masterji hob warnend den Zeigefinger. «Ich sagte
Vielleicht.»
    «Heute will ich Ihnen etwas beibringen, Masterji: In dieser Sache gibt es kein
Vielleicht.
Wir sind der Meinung, dass Sie Mr Shah besuchen sollten. Reden Sie mit ihm. Er schätzt Lehrer sehr.»
    Ibrahim Kudwa wusch sich den Mund und trocknete sich die Lippen und den Bart mit dem Handtuch der Pintos ab. Er hängte das Handtuch zurück und starrte es an.
    «Masterji, als der Bauherr das Angebot machte, habe ich gelitten, weil ich nicht wusste, was ich mit dem Geld anfangen sollte – ich musste eine Tablette gegen Sodbrennen einnehmen, um schlafen zu können. Jetzt, da die Gefahr besteht, dass mir das Geld, das ich nie hatte, wieder weggenommen wird, brauche ich zwei Tabletten.»
    Er trocknete sich die Hände noch mal ab und ging, wobei er offenbar die Reste seiner Neutralität am nassen Handtuch zurückließ.
    «Boykott, das ist doch nur ein Wort», sagte Masterji zu Mr Pinto. «Erinnern Sie sich noch daran, als Mrs Puris Wasserfilter kaputt war und Wasser in Ajwanis Küche tropfte und von dort in die Küche der Abichandanis? Erinnern Sie sich noch daran, dass sie nicht mehr mit ihr reden wollten, bis sie für die Reparaturen aufkommen würde? Sie hat sich nie darauf eingelassen. Nach zwei Wochen redeten sie wieder mit ihr.»
    Eine Stunde später ging er die Treppe hinunter, gab dem streunenden Hund einen Tritt und setzte sich auf den «besten Stuhl» vor Mrs Saldanhas Fenster. Der kleine Fernseher in ihrer Küche lief, ein geisterhaftes Viereck hinter grünem Vorhang; durch den mandelförmigen Riss war ein längliches Fitzelchen vom Nachrichtensprecher zu sehen, wie ein Körnchen Wahrheit. Während er fernsah, kam Mrs Saldanha ans Fenster und schloss die Holzläden.
    Masterji inspizierte das Grundstück seiner Genossenschaft, als wäre nichts geschehen.
    Auf seinem Weg die Treppe hoch sah er den kranken Hund wieder auf dem Treppenabsatz liegen. Wenigstens er sah ihn so an wie immer. Er scheuchte ihn nicht auf.
    Er betrachtete den Hund so aufmerksam, dass er beinahe den handgeschriebenen Aushang übersehen hätte, der über dem Tier mit Klebeband an der Wand befestigt war.
    EINIGE TATSACHEN ÜBER «EINE GEWISSE PERSON»,
DER WIR SEIT DREISSIG JAHREN RESPEKT ZOLLEN.
ABER WARUM? NUN KOMMEN WIR HINTER DIE WAHRHEIT .
    1. Weil er ein pensionierter Lehrer ist, sind wir ihm alle mit Respekt begegnet. Er hat angeboten, unseren Kindern bei den Prüfungen zu helfen. Stimmt. Aber wie sieht diese Hilfe aus? Er spricht über Teileder Sonne wie die Korona und den festen Kern aus Wasserstoff und Helium und so fort, weit über die Anforderungen des Lehrstoffs hinaus, was dazu führte, dass die Kinder, als sie die Prüfungsaufgaben bekamen, mit seinem Unterrichtsstoff nichts anfangen konnten. Bei ihm Nachhilfestunden oder Privatstunden zu nehmen war der «Todeskuss».
    2. An DEEPAVALI, WEIHNACHTEN oder IDU-L-FITR hat er dem Wachmann am Tor nicht eine Rupie Trinkgeld gegeben. Er sagt ständig, ich habe kein Geld, ich lebe von meiner Rente, aber stimmt das denn? Wissen wir es nicht besser?
    3. Obwohl er laut damit prahlt, «er habe keinen Fernseher», sitzt er jeden Abend so vor Mrs Saldanhas Küche, dass er allen anderen die Sicht versperrt und fernsehen kann.
    4. Gibt der Khachada-wali für größere

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