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Leuchtfeuer Der Liebe

Leuchtfeuer Der Liebe

Titel: Leuchtfeuer Der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
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Ankündigung zu machen? Er trat zurück und überreichte Emily die Flasche mit großer Geste. „Diese Ehre gebührt Miss Emily Leighton, meiner zukünftigen Braut."
    Ein Moment sprachlosen Schweigens senkte sich über die Festgäste, in dem nur das Flattern der Fähnchen an den Masten und das Plätschern der Wellen gegen den Schiffsrumpf zu hören waren. In diesem Augenblick, in dem die Welt stillzustehen schien, nahm Jesse alles in sich auf - Emilys strahlendes Lächeln, das verblüffte Gesicht seiner Mutter, die augenblicklich in Tränen ausbrach, die erhobene Hand seines Vaters, um dem Sohn kräftig auf den Rücken zu schlagen, den kalten Blick, den Mr. und Mrs. Clapp tauschten, bevor sie ein künstliches Lächeln aufsetzten. Aber am deutlichsten sah er Granger. Klarer, als er ihn je gesehen hatte. Es dauerte nur einen kurzen Moment, aber er sah ein eisiges Funkeln, das in Grangers Augen aufblitzte und erlosch. Auch Granger war in Emily verliebt.
    „Gratuliere, mein Sohn", dröhnte sein Vater, und im folgenden stürmischen Applaus vergaß Jesse die Kälte, die sich bei Grangers Anblick um sein Herz gelegt hatte.
    „Meine besten Glückwünsche für euch beide", sagte Thomas Clapp überschwänglich und schlug seinem Sohn kräftiger, als angebracht gewesen wäre, auf den Rücken. „Was sagt man dazu? Dein Partner hat dich wieder einmal ausgebootet. Höchste Zeit, dass du dir endlich eine Braut suchst und mir Enkel ins Haus bringst, die ich verwöhnen kann."
    Granger errötete bis über beide Ohren. „Alles zu seiner Zeit, Vater", murmelte er.
    An jenem Tag war etwas Seltsames geschehen. Obwohl Jesse es damals nicht gleich erkannt hatte, war eine Veränderung eingetreten. Die Achse der Beziehung zwischen den drei Freunden hatte sich verschoben, es sollte nie wieder so sein wie früher. Jesse, Granger und Emily, das unzertrennliche Freundestrio, das gemeinsam Bälle und Gesellschaften besuchte und Logenplätze in der Oper hatte. Emily, die hingerissen lauschte, während Granger und Jesse heimlich aus einer Taschenflasche Whiskey tranken, sich über die gekünstelten Posen der Sänger auf der Bühne amüsierten und sich nur mühsam das Lachen verkniffen. Jesse und Granger, die das in Mode gekommene Baseballspiel übten, und Emily, die vorgab, die Spielregeln zu verstehen.
    Doch nach diesem Tag war die Beziehung zu Granger frostig geworden, der sich immer mehr absonderte und die Freitagabende lieber in Madame Fanshaws Haus der Sünde verbrachte als in der Gesellschaft von Jesse und Emily. Die drei sollten nie wieder unbeschwert miteinander lachen und plaudern.
    Emily war die Erste, die sich von Thomas Clapps taktloser Bemerkung erholte. Sie versuchte, der peinlichen Situation mit Humor zu begegnen. „Wenn wir die Taufe nicht bald hinter uns bringen, entkorke ich die Flasche und trinke sie aus!" verkündete sie lachend.
    Jesses letzte Erinnerung an diesen Tag, diesen strahlenden Tag, der sein Leben verändert hatte, war der Anblick zweier grüner Flaschen, die im weiten Bogen durch die Luft schwangen, am Scheitelpunkt zu verharren schienen, von der Sonne grün durchglüht, bevor sie gegen den Schiffsrumpf schmetterten und in tausendfachen smaragdgrünen Splittern zerbarsten.
     
    Sie war im Traum gefangen, ohne fliehen zu können. Ihr war, als habe man ihr Drogen eingeflößt, die ihre Gliedmaßen und ihren Verstand lähmten. Hilflos musste sie zusehen, was geschah.
    Die Tür. Eine Tür mit vier Holzpaneelen und einem Kristallknauf. Sie saß auf einem Stuhl der Tür gegenüber, abwartend.
    Die Tür öffnete sich. Langsam. Sie hörte Schritte, das Knarren einer Parkettdiele, immer die gleiche Diele, immer das gleiche Geräusch. Ihre Tage verliefen in einer Einförmigkeit, beinahe tröstlich in ihrer ereignislosen Langeweile.
    Heute aber war es anders. Heute hatte sie ihm etwas zu sagen. Etwas, worüber er glücklich sein würde. Er würde sie in die Arme nehmen, sie herumwirbeln, und sie würde alle Kränkungen und unbedachten kleinen Grausamkeiten, die er ihr zugefügt hatte, vergessen. Jetzt würde er sie wieder schätzen. Sie besaß etwas, was er sich wünschte. Verzweifelt wünschte.
    Ein Lichtstrahl fiel durch die offene Tür. Eine hoch gewachsene, breitschultrige Männergestalt näherte sich ihr. Sie wartete darauf, sein schönes Gesicht zu sehen, das sorgfältig gekämmte Haar, von einem Hauch Brillantine in Form gehalten, sein Lächeln, das ihren Herzschlag beschleunigte.
    Sie erblickte einen Fremden.

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