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Leuchtfeuer Der Liebe

Leuchtfeuer Der Liebe

Titel: Leuchtfeuer Der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
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ein zierlicher Fuß kam unter den Decken zum Vorschein. Jesse bückte sich und steckte den nackten Fuß wieder unter die Decke. Er staunte, wie zart sich ihre Haut anfühlte.
    In einem dunklen Winkel seines Herzens fragte etwas, ob sie nun auch sterben müsse, wie alles andere, was er berührt hatte.
    Sie seufzte wohlig und kuschelte sich tiefer in ihr warmes Nest. Die Decke schien eine beruhigende Wirkung auf sie auszuüben. Palin a pflegte ihre Quil ts fantasievoll mit Gestalten aus der Sagenwelt ihrer isländischen Heimat zu besticken. Diese Decke zierte eine Seejungfrau, die den Wogen des Meeres entstieg.
    Palina und ihr Hang zu alten Mythen. Damit erklärte sie alles, ohne ihren gesunden Menschenverstand zu bemühen.
    Jesse runzelte die Stirn. Mit gesundem Menschenverstand kam er in dieser Situation allerdings auch nicht weiter. Ehrlich gestanden, war auch er versucht, in dieser Frau ein mystisches Wesen zu sehen. Sie war von den Wellen an die Küste gespült worden. Ein Geheimnis schien sie zu umgeben. Niemand suchte nach ihr. Sie trug keinen Ehering, war aber schwanger. Ihr melodischer Akzent unterstrich das Mystische, das sie wie ein goldener Schein umgab.
    Sie holte stoßweise Atem, worüber Jesse erschrak. Er hasste es, zu erschrecken, und hoffte inständig, dass die Zeitungsmeldung rasch verbreitet wurde. Bert Palais hatte ihm zugesagt, ihre Fotografie und ihre Beschreibung überall zu veröffentlichen, so weit seine Kontakte als Zeitungsverleger reichten.
    Beeil dich, dachte Jesse, während er den Docht herunterdrehte und leise die Kammer verließ, und sieh zu, dass sie möglichst schnell von hier verschwindet.
    Er dachte an einen Vorfall vor vielen Jahren bei einem Segelausflug auf seiner Yacht mit Freunden. Damals in seiner Jugend, in den unbeschwerten Jahren vor der Finsternis und Angst.
    Beim Festmachen einer Leine hatte sich ein Belegnagel durch seinen Handballen gebohrt. Einen Augenblick hatte er wie versteinert auf den Stahlstift gestarrt, der aus seinem Fleisch ragte. Dann hatte er nach einer Flasche Whiskey gegriffen und einen tiefen Schluck genommen. Damals hatte er den Freunden etwas Ähnliches gesagt.
    Beeilt euch. Und zieht mir den Stachel aus dem Fleisch. Bevor ich den Schmerz spüre.
     
    Je früher er sie fand, umso besser.
    Er stand im Salon, in dem es nach Bienenwachs und edlem Tabak und Reichtum roch. Unter dem Fenster auf der Hauptstraße ratterte der Verkehr von Portland lärmend vorbei. Auf dem Schreibtisch vor ihm lagen die Morgenzeitungen.
    Die Notiz, die seine Aufmerksamkeit erregte, stand unten auf der letzten Seite zwischen einer Reklame für Hirams Rasierwasser und einer Anzeige für landwirtschaftliche Geräte. Eine grobkörnige Fotografie, darunter ein Textblock:
     
    Ilwaco, W.T. Der Leuchtturmwärter von Cape Dis- appointment rettete letzten Sonntag die einzige Überlebende einer Schiffskatastrophe. Captain Jesse Kane Morgan, ehemals Bürger von Portland, zog eine unbekannte junge Frau an Land.
    Nach Aussage des Hafenmeisters Judson Espy wird der Viermaster Blind Chance der Shoalwater Bay Company seit Sonntag vermisst.
    Wer Angaben zur Identität der jungen Frau machen kann, wird gebeten, Verbindung mit der Leuchtturmstation aufzunehmen.
     
    Eine kraftvolle Hand mit sorgsam manikürten und polierten Fingernägeln krallte sich um die Zeitung und zerknüllte die Seite.
    War das möglich? Er musste es herausfinden. Dabei galt es selbstverständlich, äußerst diskret vorzugehen. Aber er musste sich vergewissern. Und noch etwas musste er herausfinden - welche Rechte hatte ein Mann an einem Kind, das er unehelich gezeugt hatte.
    Es war empörend genug, dass die dumme Gans weggelaufen war. Ein ungebildetes irisches Frauenzimmer mit Schmutz unter den Fingernägeln hatte ihn übertölpelt. Und sie war - der Gipfel der Ironie - von Jesse Morgan gerettet worden.
    „Granger?" Eine Frauenstimme, zaghaft, respektvoll und kultiviert, so wie er es gerne hatte, rief ihn von der Tür her.
    „Ja, Annabelle?"
    „Ich ... ich will ausgehen, um bei den Gibsons vorbeizuschauen."
    Er betrachtete sie über die Entfernung des Salons hinweg. Seine perfekte Ehefrau. Jedes goldene Löckchen sorgsam frisiert. Im perfekt geschneiderten, eleganten Vormittagskleid mit farblich abgestimmtem Sonnenschirm und Retikül. Ja, sie war ein Schmuckstück.
    Lächelnd näherte er sich ihr. Sie zuckte nicht zurück, als er sich vorbeugte und sie zart auf die Wange küsste. Liebevoll. „Mach dir einen angenehmen

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