Leuchtfeuer Der Liebe
dass Mary ein blinder Passagier war. Möglicherweise hauste eine Diebin oder Mörderin unter seinem Dach.
Oder aber eine unglückliche Frau, die vor etwas geflohen war, worüber sie nicht sprechen wollte.
„Sie wird es sehr schwer haben, so mutterseelenallein", sagte Fiona.
Er führte D'Artagnan in die Koppel. „Wirklich?"
„Sind Sie anderer Meinung?"
„Hören Sie auf, Fiona."
Sie musterte ihn von Kopf bis Fuß. „Es gibt Leute, die gern mit anderen Menschen zusammen sind, sich sogar danach sehnen. Aber davon verstehen Sie nichts." Ohne eine Spur von Mitgefühl schlug Fiona ihm derb auf die Schulter. „Hat Ihnen eigentlich schon mal jemand gesagt, dass Sie der attraktivste Mann im ganzen Territorium sind, Jesse Morgan?"
„Nein." Er schnaufte verächtlich.
Fiona lächelte. „Auf so etwas achten manche Frauen."
„Aber nicht Sie."
Sie zwinkerte ihm verschmitzt zu. „Wohl kaum."
Das war einer der Gründe, warum Jesse sie in seiner Nähe duldete. Fiona wollte nichts von ihm.
Gemeinsam gingen sie zum Haus. „Sie behauptet also, keine Familie zu haben. Ich nehme an, damit meint sie, keinen Ehemann, wie?" fragte die Ärztin.
„Das sagte sie."
„Hm." Fiona neigte nicht zu Vorurteilen, auch das schätzte Jesse an ihr. „Umso schwerer wird sie es haben."
„Nun, da sie wieder auf den Beinen ist, bringen Sie die Frau in die Stadt, quartieren sie irgendwo ein und ..."
„Wir wollen nichts überstürzen." Sie folgte ihm ins Haus und stellte ihre Arzttasche auf den Küchentisch. Gemeinsam betraten sie die Nebenkammer.
Jesse stockte der Atem. Mary Dare lag schlafend auf Palinas Quillt im Sonnenschein, der durchs offene Fenster fiel. Sie trug immer noch das grün und gelb gemusterte Kleid.
Später, Jesse. Ich ziehe es später für dich aus. Wir haben viel Zeit... Die Stimme seiner verstorbenen Frau raunte ihm ins Ohr. Er schüttelte unwillig den Kopf und zwang sich, Mary Dare anzusehen.
Das Sonnenlicht spielte in ihrem Haar und auf ihrer hellen durchscheinenden Haut. Unter den Augen lagen dunkle Ringe der Erschöpfung, sie war mager und zerbrechlich.
„Sie ist schwach wie ein ausgehungertes Kätzchen", flüsterte Fiona. „In diesem Zustand bringe ich sie nicht in die Stadt."
Jesse räusperte sich. „Aber ..."
„Sie bleibt hier." Fiona stemmte die Hände in die Hüften und sah ihn mit trotzig gehobenem Kinn an. „Stört Sie das?" Ja."
„Dann finden Sie sich damit ab, Jesse. Denken Sie endlich mal an andere, nicht nur an sich selbst!"
Mary Dare zuckte im Schlaf zusammen.
„Tut mir Leid", sagte Fiona leise. „Sie können einen aber auch in Rage bringen, Jesse Morgan."
„Von mir aus kann sie diese Woche noch bleiben", sagte er. „Aber keinen Tag länger."
Wütend über Fionas triumphierendes Lächeln, stapfte er aus der Kammer.
„Wie fühlen Sie sich heute?" fragte Jesse und hatte den Eindruck, seine Stimme klinge wie ein verrostetes Scharnier.
Mary Dares Lächeln strahlte heller als die Sonne. „Ich habe Hunger", gestand sie und betrat die Küche. Das grüne Kleid war zerknittert, und ihr zerzaustes Haar hing ihr in schweren Locken über die Schultern.
„Es gibt frischen Speck", sagte er. „Und Palmas Kardamombrot. Kaffee?"
„Ich hätte lieber ein Glas Milch, wenn es welche gibt."
„Milch gibt es immer. Die Jonssons halten sich eine Kuh."
„Wunderbar. Und wann lerne ich die Jonssons kennen?"
„Bald. Sie arbeiten im Leuchtturm."
„Was tun sie dort? Ich sehe keine Spur von Nebel."
„Die Geräte müssen gesäubert werden." Er sah ihr beim Essen und Trinken zu. Sie machte sich zwar nicht gierig, aber mit großem Appetit über Speck und Brot her. Werdende Mütter brauchten gutes, nahrhaftes Essen. Das hatte Fiona ihm gesagt. Natürlich hatte er diese Mahnung nicht zum ersten Mal gehört.
„Jesse, Liebster. Ich habe wundervolle Neuigkeiten!" Emily war wie ein Wirbelwind in sein Arbeitszimmer gestürmt, in ihrem duftigen weißen Sommerkleid. „Ich komme soeben vom Arzt, und er hat es bestätigt. Jesse, du wirst Papa!"
Er verdrängte die Erinnerung und wartete geduldig, bis Mary mit ihrem Frühstück fertig war. Sie sah etwas besser aus, nicht mehr so erschreckend bleich. Ihre Augen glänzten, und die dunklen Ringe unter den Augen verblassten.
Ausgezeichnet, dachte er. Wenn er gut für sie sorgte, würde er sie bald los sein. Frei. Allein. Danach sehnte er sich.
„Kann ich Ihnen Tee aufbrühen?" fragte er. „Dr. MacEwan hat Kräutertee gebracht, der die Verdauung
Weitere Kostenlose Bücher