Leuchtfeuer Der Liebe
sagte sie beschwichtigend. „Ich habe Höllenqualen ausgestanden. Aber wie Sie sehen, bin ich wohlauf. Also seien Sie nicht traurig."
„Ich versuche mich zu beherrschen", brachte er mühsam hervor und schrieb mit zittriger Hand weiter, konnte seinen Lachanfall nur mit größter Mühe unterdrücken, während sie unverdrossen weiterdiktierte.
„Sie wusste, dass ihr Schicksal in die Hände von Gott dem Allmächtigen gegeben war. Verzweifelt klammerte sie sich an den abgebrochenen Mast, der im aufgewühlten Wasser trieb. Innerhalb weniger Minuten hatte der unersättliche Schlund des Ozeans die Blind Chance verschlungen, mit Mann und Maus. Alle Menschen an Bord des Unglücksschiffes fanden in den Tiefen des Ozeans ihre letzte Ruhe - Gott sei ihren Seelen gnädig. Nur unsere unerschrockene Heldin überlebte das grausige Unglück, um ihre Geschichte zu erzählen ..."
Sie fuhr in ihrer Schilderung mit einer Begeisterung fort, als handle es sich um Melvilles Moby Dick. Jesses Handschrift füllte Seite um Seite des Logbuchs.
Er biss beim Schreiben die Zähne zusammen, um das Lachen zu unterdrücken, was ihm nur schwer gelang. Sie diktierte in der
Überzeugung weiter, dass ihr packender Bericht für die Nachwelt aufgezeichnet werden müsse.
„... und er rannte den Küstenstreifen entlang wie ein furchtloser großer Held aus der Sage. Er war dunkel und hoch gewachsen, sein Haar schwarz wie Rabenschwingen, seine Augen waren blau wie Saphire. Er hob die arme, leblose Frau in seine stahlharten, muskulösen Arme und presste einen süßen, magischen Kuss auf ihren Kirschmund ..."
„Augenblick mal!" Er hielt inne. „Von wem sprechen wir hier?"
Sie sah ihn völlig unschuldig an. „Von Ihnen natürlich. Ich schildere den Augenblick, als Sie mich fanden. Tauchen Sie die Feder wieder ein ... Gut, wo war ich? Lesen Sie mir den letzten Satz noch mal vor."
Er las mit dramatischer Betonung und versuchte, ernst zu bleiben. „,Er hob die arme, leblose Frau in seine stahlharten ... muskulösen Arme und presste einen süßen ... magischen Kuss auf ihren Kirschmund ...'".
Die letzten Worte brachte er nur noch unverständlich hervor, legte die Feder beiseite, stützte die Ellbogen auf den Tisch und barg das Gesicht in den Händen. Seine Schultern zuckten haltlos.
Und dann spürte er ihre Berührung. „Aber, aber", tröstete sie ihn. „Ich weiß, es ist eine sehr anschauliche und rührende Geschichte, aber versuchen Sie bitte, Ihre Tränen zurückzuhalten ..."
Jesse, der seit zwölf Jahren keinen Heiterkeitsausbruch erlebt hatte, verlor nun endgültig die Beherrschung, warf den Kopf in den Nacken und lachte dröhnend wie nie zuvor in seinem Leben. Und bei seinem haltlosen Gelächter war ihm, als würden eiserne Ketten von seinem Brustkorb gesprengt, jahrelang aufgestaute Spannungen lösten sich. Mühsam fand er seine Fassung wieder und wagte schließlich, Mary anzusehen. Während ihres Diktats war sie wild gestikulierend hin und her gewandert, doch nun stand sie still und sah ihn an wie einen Verrückten.
„Ach, Mary", brachte er atemlos hervor. „Ich hätte nicht lachen dürfen." Sein Blick fiel auf den Bericht, und wieder drohte er die Beherrschung zu verlieren. „Ich ... bitte um Entschuldigung." Er bemühte sich, ernst zu bleiben, doch er war wie ein Betrunkener, der vergeblich versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen.
Um ihre Lippen zuckte es, und plötzlich lächelte auch sie, strahlend wie die aufgehende Sonne. „Sie haben Glück, Kleiner, dass ich Sinn für Humor habe." Sie berührte seine Hand. „Jesse."
Er blickte zu ihr auf. „Ja?"
„So kenne ich Sie gar nicht. Ich habe Sie noch nie laut lachen hören."
Er legte seine freie Hand auf ihre. „Ich lache nicht oft, Mary Dare."
„Das sollten Sie aber. Meine Mama sagte immer, Lachen ist ein Lied ohne Worte." Mary wandte sich ab und wischte dabei mit dem Schal den Federhalter zu Boden. Beide bückten sich gleichzeitig danach, beide streckten gleichzeitig die Hand danach aus, richteten sich langsam auf, ihre Blicke hielten sich gefangen.
„Mary." Ihr Name drängte sich in einem gequälten Flüstern über seine Lippen. „Mein Gott..." Er sprach nicht weiter, schob seine Hand in ihr weiches Haar im Nacken. Verlangen wogte in ihm auf. Ein Verlangen, das er ebenso wenig beherrschen konnte wie seinen Heiterkeitsausbruch.
Er presste den Mund auf ihre Lippen. Die Hitze der zärtlichen Berührung drohte ihn zu versengen. Er drängte seine Zunge zwischen ihre
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