Leuchtfeuer Der Liebe
doch der Groll stieg unaufhaltsam in ihr hoch.
„Was ist daran schändlich", fragte sie trotzig, „wenn zwei einsame Menschen zärtlich zueinander sind? Sagen Sie mir, Jesse Morgan, hat das einem von uns geschadet?"
„Nein! Aber es hätte nicht passieren dürfen." Er schob den
Stuhl geräuschvoll zurück, stand auf und stellte seinen Kaffeebecher klirrend in den Spülstein. Dann legte er die flachen Hände auf die Anrichte und senkte den Kopf. Sie beobachtete, wie er gegen seinen Gemütsaufruhr ankämpfte, und als er sich wieder zu ihr umdrehte, war sein Gesicht ohne Ausdruck.
Er trat neben sie und strich sanft mit einem Finger über ihr Kinn. „Am Besten, wir vergessen die Sache, sonst gibt es nur Komplikationen. Mehr wollte ich nicht sagen."
Ohne ein weiteres Wort stürmte er aus dem Haus zur Scheune. Mary blieb lange sitzen, trank Kaffee und blickte in die Morgensonne, die durch das Fenster schien. Hatte sie die Fenster erst gestern geputzt? Ja, gestern hatte er ihr die schöne aquamarinblaue Glaskugel gebracht. Ein Geschenk, das sosehr im Widerspruch zu seinen kalten Worten stand. Am Besten, wir vergessen die Sache. Diese Worte weckten keine Zuversicht, und dennoch gab Mary die Hoffnung nicht auf.
Nachdenklich legte sie die Hand an ihren Leib, in dem ihr Baby heranwuchs. Sie hatte erlebt, wie ein Mann vor ihr auf die Knie gesunken war und ihr ewige Liebe geschworen hatte. Und sie war töricht genug gewesen, seinen schönen Worten zu glauben. Sie hatte einem Mann blind vertraut, der ihr Perlenohrringe geschenkt und nachts mit ihr romantische Kutschfahrten ans Meer gemacht hatte. Sie hatte bittere Lehren aus ihrer Erfahrung gezogen und sich vorgenommen, sich nie wieder von blumigen Phrasen und falschen Schwüren beeindrucken zu lassen.
Ein Blick in Jesse Morgans Augen sagte ihr mehr als tausend schöne Versprechungen eines vornehmen Herrn mit gepflegtem Schnurrbart und einer eleganten Kutsche.
„Es wird uns gut gehen", flüsterte sie ihrem ungeborenen Kind zu. Und zum ersten Mal glaubte sie ernsthaft an ein gutes
Ende ihrer Irrfahrt, seit sie in San Francisco ihre wenigen Habseligkeiten gebündelt und sich heimlich an Bord der Blind Chance geschlichen hatte.
Und da sie neue Hoffnung für ihr Kind schöpfte, wagte sie es, sich ein Bild von ihm zu machen. Ein Junge. Das Erstgeborene musste ein Junge sein. Ihre Mutter hatte drei stramme Knaben zur Welt gebracht - Riordan, Alois und Padriac.
Sie seufzte. Obwohl Rory, Ali und Paddy schon lange nicht mehr lebten, hatte sie keine Mühe, sich das Bild ihrer Brüder ins Gedächtnis zurückzurufen. Sie sah die drei Rotschöpfe zusammen mit Pa über den Netzen gebeugt sitzen, die sie für den nächsten Fischfang vor der Küste von Ballinskelligs flickten. Ihr kleiner Sohn würde aussehen wie ihre Brüder, entschied sie mit einer Überzeugung, die zu gleichen Teilen aus Hoffnung auf die Zukunft und Ablehnung gegen den Kindsvater geboren war.
Ihr Sohn würde dichtes rotes Wuschelhaar und Sommersprossen auf der Nase haben. Engelsküsse hatte Mama sie genannt, als Mary einmal weinend vom Sonntagsgottesdienst heimgelaufen war, weil die Costello-Zwillinge sie wegen ihrer Sommersprossen verspottet hatten.
Ihr Sohn würde stolz auf die Engelsküsse sein, denn er würde das Vermächtnis einer stolzen irischen Familie zu schätzen wissen.
Einer Familie, die es nicht mehr gab.
Eine Woge der Trauer drohte über Mary hereinzubrechen. Sie drückte den Rücken durch, straffte die Schultern und verdrängte die Vergangenheit. Wie sollte ihr Kind heißen? Während sie Geschirr spülte, dachte sie an all die schönen irischen Namen, doch immer wieder tauchte ein fremder Name auf - Jesse.
Das Heilige Buch berichtete von Isai und seiner unverbrüchlichen Treue. Der biblische Isai hatte seinen jüngsten Sohn David getauft.
Lächelnd hängte Mary die Becher an die Haken unter dem Wandbrett und schraubte den Deckel des Behälters mit den Kaffeebohnen fest. David war der schönste Name, den sie sich denken konnte. Die nächste Stunde verbrachte sie damit, die Vorhänge wieder anzunähen, die Jesse in seinem Zorn heruntergerissen hatte. Er führte sich gern auf wie ein Bär, der wütend um sich schlug. An ihr würde er sich allerdings die Zähne ausbeißen, auch wenn ihm das noch nicht klar sein mochte.
Er war zu lange allein gewesen. Eine gleichgültige Welt hatte ihn vergessen. Palina, Magnus und Erik arbeiteten gern für ihn, aber sie waren zu respektvoll und zurückhaltend,
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