Leute, das Leben ist wild
Johannes ist.«
»Ehrlich gesagt, finde ich das total daneben, dass du
Johannes eingeladen hast. Das ist so, als würdest du Arthur kaltblütig verraten.«
Danke! Jetzt bin ich innerlich voll am Rotieren. Und klar denken kann ich auch nicht mehr. Soll ich Johannes wirklich wieder ausladen? Dann habe ich keinen DJ mehr - geht also nicht. Im Übrigen will ich ihn sehen und zeigen, wie gut ich aussehe, und gucken, ob er mich noch immer will. Irgendwie vermisse ich ihn. Ich bin eine emanzipierte Frau und kann lieben, wen ich will. Außerdem würde es ziemlich uncool rüberkommen, wenn ich ihn einfach auslade und ihm dann auch noch erklären müsste, warum: weil mein Freund Arthur ebenfalls da ist. Hauptsache, er bringt nicht seine neue Freundin mit. Dann drehe ich durch.
4
A m nächsten Morgen wache ich früher auf als sonst - und mir passt es plötzlich gar nicht mehr, dass ich Geburtstag habe. Heute ist leider Schule und am Abend kommen all diese Menschen. Ich bin noch hundert Prozent gestresster als gestern bei dem Gedanken, es irgendwie hinbekommen zu müssen, dass Arthur nicht rauskriegt, dass es sich beim DJ um Johannes handelt. Ich weiß genau, dass ich da gerade eine tierische Dummheit begehe, die nur schlimm enden kann. Es geht gar nicht anders. Es ist, als würde ich auf einem Floß einen reißenden Wasserfall ansteuern, mich aber weigern, abzuspringen und ans rettende Ufer zu schwimmen. Irgendwie will ich offenbar wissen, wie es ist, den Wasserfall hinunterzustürzen, in der Hoffnung, das Leben bis zur Gänze zu spüren.
So bin ich. Immer will ich zu viel Leben. Das nimmt manchmal zwanghafte Züge an, ist mir schon klar. Aber Alina macht da momentan gnadenlos mit. Jetzt hat ihre Bockigkeit wieder Oberwasser bekommen. Bevor wir gestern Abend schlafen gegangen sind, hat sie zum Abschied erklärt: »Ich lasse mir von dieser Sarah nichts befehlen.«
Das ist die zweite Angelegenheit, vor der mir echt graut: das Zusammentreffen von Albert, Alina und Sarah. Wäre es nicht so peinlich, würde ich die Party einfach abblasen. Aber dann quatschen die Leute in der Schule wieder rum, dass ich nie mein Wort halte. Groß Partys ankündigen
und sie dann kurzfristig streichen - geht gar nicht. Aber mal ehrlich: Morgen werden sich die Leute in der Schule eh das Maul über den Irrsinn in unserem Hause zerreißen. Weil sie mitbekommen werden, wie mich Arthur und Johannes als Betrügerin der Liebe moralisch fertigmachen und verlassen. Und sie werden sich gegenseitig berichten, wie Alina von Sarah die Augen ausgekratzt wurden, während Mama und Papa schweigend im Restaurant beim Essen saßen. Manchmal wünschte ich echt, ich wäre gar nicht erst geboren worden.
Nachdem ich mir den herannahenden Horror bis zum Exzess in den herrlichsten Farben ausgemalt habe, kommt endlich meine Mutter lächelnd zur Tür rein. »Guten Morgen, mein Kätzchen.«
Wie immer ohne anzuklopfen. Sie setzt sich zu mir auf die Bettkante, und ich frage mich, ob sie in ihrem mintfarbenen Yoga-Outfit geschlafen hat.
Sie beugt sich über mich, sodass mir ihre silberne Kette mit dem tibetischen Zeichen ins Gesicht plumpst, und küsst mich. »Alles, alles Liebe zum Geburtstag. Jetzt bist du schon 17 Jahre alt.«
Und in diesem Jahr blinken in Mamas Augen überraschenderweise keine Tränen, weil ihr kleines Mädchen schon wieder älter geworden ist. Im Gegenteil, sie sieht irgendwie richtig erleichtert aus. Siebzehn! Leute! Ich bin jetzt siebzehn! Von draußen drückt sich die Sonne durch den schmalen Spalt des zugezogenen Vorhanges, und eines kann mit Sicherheit gesagt werden: Es wird schon wieder ein heißer Tag werden.
Mama steht von der Bettkante auf und zieht den Vorhang zur Seite. »Aufstehen, Lelle. Du kommst sonst zu spät zur Schule.«
Und als sei das ihr Zeichen zum Auftritt gewesen, quetscht sich Alina nun auch noch in mein Zimmer. Beunruhigenderweise hat sie gar nicht ihre Haare hochgestellt, sondern zu einem schwarzen Pferdeschwanz gebunden. Dazu trägt sie ein schwarzes T-Shirt mit einem Totenkopf aus silbernen Pailletten und einen schwarzen kurzen Rock, sodass ihre weißen Beinchen zu bewundern sind. Kombiniert wird das Ganze mit schwarzen Chucks und pinkfarbenen Socken. Krass, Alina. Sie lächelt nicht, sondern murmelt nur: »Happy Birthday!«
Aus der liegenden Position heraus hebe ich meine Hand. »Danke.«
»Nichts zu danken!« Alina ständert in meinem Zimmer umher, dabei guckt sie weder mich noch Mama an. Schließlich bleibt sie vor
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