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Leute, das Leben ist wild

Titel: Leute, das Leben ist wild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Hennig Lange
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da zieht mich Papa plötzlich fest an sich. »Ach, Lelle!« Er drückt mich total kräftig, sodass ich mit meiner Wange über seine voll einparfümierte Hemdbrust reibe. Jetzt habe ich das Zeug sogar im Mundwinkel kleben. Bäh! Papa will mich gar nicht wieder loslassen, was ist denn mit dem los? Er atmet tief ein und aus und sagt: »Nun bist du fast erwachsen.«
    Ja, kein Ding. Er soll mich nur wieder loslassen. Der veranstaltet hier vielleicht ein Drama. Den interessiert doch sonst nicht, was bei uns zu Hause abgeht. Das überlässt er doch schön alles Mama. Ich schiele zu Alina rüber, um mich mit ihr blicktechnisch zu verbinden. Doch die macht nicht mit, sondern hockt bekümmert auf dem Sofa und starrt melancholisch auf ihre Fußspitzen unter dem Gabentisch. Ich nehme an, eine schwere Zeit in meinem Leben ist angebrochen. Eine Zeit, in der die Wirren des Menschseins voll durchbrechen. Ich würde in Alinas Fall sogar sagen, ihre Gemütsverfassung grenzt an eine echte Depression. Und mir ist schlecht von Papas Parfümgeschmack in meinem Mund.
    Mama setzt sich neben Alina aufs Sofa und nimmt ihre bleiche Hand, um sie zu massieren, damit der »Solarplexus« wieder aufgeht. Meine Mutter meint: »Komm mal her, Mäuschen, jetzt bringen wir deinen Energiefluss in Schwung«.
    Papa bleibt stehen und gibt so ein abschätziges Grunzen von sich. »So ein Quatsch!«
    Und durch den flatternden, blühenden Garten streift
mein Freund Arthur. Inzwischen ist ihm ein richtiger Bart gewachsen. Lichtreflexe tanzen über sein Gesicht. Als sich unsere Blicke treffen, winkt er mir fröhlich zu.
    Er hat sein ausgewaschenes Acne-T-Shirt an und seine weite Stoffhose. Am Unterarm schimmert weiße, getrocknete Farbe. Strahlend kommt er über die Schwelle ins Wohnzimmer, nimmt mich fest in den Arm und küsst mich. »Na, gut geschlafen?« Dann flüstert er in mein Ohr: »Alles Liebe zum Geburtstag. Mein Geschenk gibt’s später.«
    Arthur riecht so gut nach seiner Bodylotion, in jedem Fall besser als Papa. Gerne würde ich einfach mit ihm verschwinden, keine Ahnung, wohin. In den Wald oder nach drüben auf sein Hochbett. Die Stimmung ist echt irgendwie seltsam - besonders, als Papa kurz sein iPhone aus der Jacketttasche zieht, draufguckt und mit rotem Kopf zurück in die Tasche gleiten lässt. Als er merkt, dass Mama ihn dabei beobachtet, fragt er schnell: »Und, Arthur? Wie weit seid ihr mit dem Plastikflaschen-Katamaran?«
    Arthur dreht sich zu Papa um. »Noch eine Woche, dann geht’s los.« Und im selben Moment legt Arthur mir schon wieder seinen gebräunten Arm mit der weißen Farbe um die Taille und meint: »Kein gutes Thema für heute Morgen, was?«
    Dabei guckt er mich durchdringend an und ich kann nicht mal sagen, dass ich es unpassend finden würde. Irgendwie empfinde ich gerade gar nichts mehr. Es kommen auch keine Bilder, die mich irgendwie in Aufruhr versetzen könnten, von wegen: »Hilfe! Arthur ist bald mit seinem Plastikflaschen-Katamaran allein auf dem offenen Meer und ich allein auf meinem Bett!«
    Manchmal denke ich, dass ich echt zu wenig Gefühle
habe. Vielleicht sollte ich wahnsinnig traurig sein oder ihn jetzt schon vermissen oder mir Sorgen machen, dass er nicht wiederkehrt. Aber nichts passiert. Ich bin irgendwie leer.
    Mama rutscht auf der Sofakante nach vorne und klatscht in die Hände. Sie gibt sich alle Mühe, fröhlich zu wirken. »Los, mach den Umschlag auf.«
    Dabei wirkt aber auch sie ein bisschen angespannt. Immer wieder schielt sie prüfend zu Papa, der inzwischen die Arme vor der Brust verschränkt hat und gequält rumgrinst, so, als sei er total entspannt.
    Zuerst werfe ich aber noch einen kurzen Blick auf die Bücher, die verloren auf dem Gabentisch liegen. Das eine heißt: »Krankheiten selbst diagnostizieren und behandeln«. Das zweite Buch trägt den peinlichen Titel: »Kochbuch für junge Leute«. Ich freue mich, ich freue mich wirklich! Wow! Tolle Bücher! Alina rutscht nun auch nach vorne auf die Sofakante und wie durch ein Wunder hat sie jetzt richtig rote Wangen. Dank Mamas magischer Hand-Massage. Sie lächelt sogar. Leute! Das ist definitiv mein schönstes Geschenk! Dann nehme ich den Umschlag hoch und reiße ihn auf. Hoffentlich ist Geld drin. Keine Ahnung, was ich damit anfangen würde. Vermutlich total viele Klamotten kaufen. Oder auf eine Brustvergrößerung sparen. Kleiner Scherz. Leider ist kein Geld drin, sondern irgendetwas kleines Silbernes aus Metall. Ich gucke rein und es ist ein

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