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Leute, das Leben ist wild

Titel: Leute, das Leben ist wild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Hennig Lange
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um die Taille. Ich höre, wie er ihr hinter mir ins Ohr flüstert: »Du siehst toll aus, wie eine echte Lady.«
    Ja, so ist das wohl heutzutage. Total verrückt. Die Leute
tun sich zusammen, wie es ihnen gefällt, ohne Rücksicht auf Verluste. Nur Johannes hält sich seltsamerweise zurück, aber auch nur für einen Moment, weil Alice vor sich hin schluchzt, während Susanna sich jetzt von ihr abgewendet hat und damit beschäftigt ist, Sarah leidenschaftlich darzulegen, was für zwei Wunderkinder sie sind. Jetzt gesellt er sich plötzlich zu Alice und bringt sie nach vorne in mein Zimmer. »Ich glaube, du musst mal was essen, um deine Nerven zu beruhigen.«
    Habe ich es schon erwähnt, dass Johannes genauso wie Arthur interessanterweise eine höchste fürsorgliche Ader hat? Zum einen schätze ich diese Veranlagung sehr, auf der anderen Seite dürfen gerade bei Johannes sämtliche Frauen davon profitieren, die gerade mal schwach auf den Beinen sind. Weswegen sie sich alle automatisch in ihn verlieben. Er kommt ihnen wohl wie Jesus Christus höchstpersönlich vor. Kein Wunder! Wir Mädchen haben ja alle von unseren Müttern gelernt, dass Männer normalerweise eher die unsozialen Typen sind, die nicht mal Spülmaschinen ausräumen können.
    Alina folgt Johannes bereitwillig, und ich winke Arthur schwach zu, der nun auch noch den Schauplatz betritt. Glücklicherweise sieht es gerade so aus, als wäre Alice die Freundin von Johannes. Hervorragend.
    Arthur staunt nicht schlecht, als er meine Mutter in ihrem weißen Sommerkleid entdeckt, hingeschmiegt an den muskulösen Samuel mit dem fotorealistischen roten Ferrari auf der Brust. »Was ist denn hier los?«
    Wenn das so einfach zu sagen wäre. Sein Blick schweift weiter zu der verstrubbelten Sarah, die schäumend der quatschenden Susanna zuhört, die ihr gerade sämtliche internationalen Hauptstädte aufzählt, in denen sie schon
wissenschaftliche Preise gewonnen und Alice Piano-Konzerte gegeben hat: »Sydney, Baltimore, Hong-Kong, London, zwei mal New York, San Diego, die ganze Westküste und dann noch Buenos Aires …«
    Arthur nickt dem kettenrauchenden Albert zu. Der reicht ihm die Hand und meint: »Tach, Mann. Ich bin Albert und hier läuft gerade so einiges aus dem Ruder. Ich übernehme die volle Verantwortung dafür. Ich habe auf mein Herz gehört und einige gebrochen.«
    »Alles klar! Gleich ein paar Herzen?!« Arthur nickt verstehend und guckt zu mir rüber. Ich zucke mit den Schultern. Meins war definitiv dieses Mal nicht mit dabei. Arthur schüttelt ihm die Hand und sagt: »Dann komme ich ja gerade recht.«
    Und ich sage: »Alina ist weg.«

7
    B estimmt ist sie zum Flussufer runtergelaufen!« Meine Zunge hängt mir aus dem Hals, meine Kehle brennt, ich habe Seitenstechen und meine Beine fühlen sich so an, als hätte ich mir extra schwere Betonklötze um die Fesseln geschnallt, um ja nicht von der Stelle zu kommen.
    Arthur läuft vor mir her, ich sehe seine abgetragene Bluejeans, sein offenes Arbeitshemd, darunter rutscht sein weißes T-Shirt aus dem hängenden Hosenbund. Seine farbbeklecksten Chucks laufen den staubigen Weg zwischen den satten Wiesen hinunter. Auf dem asphaltierten Weg liegen leere Schneckenhäuser und Steinchen. Ein Spaziergänger mit Labrador an der Flexi-Leine kommt uns entgegen. Als der Hund uns bemerkt, rast er direkt auf uns zu, das Herrchen reißt hilflos die Leine zurück: »Bei Fuß!« Arthur macht einen Sprung in die Höhe und zur Seite weg. Ich weiche gleich ganz aus und renne den grasbewachsenen Abhang hinunter, quer über die Apfelbaumwiese. Hab ich es schon erwähnt? Ich habe latent Schiss vor Hunden.
    Jetzt laufe ich vor Arthur her, aber gleich holt er mich wieder ein. Keuchend hetzen wir auf den Wald zu, hinter dem orangerot die Abendsonne glüht. Der Himmel ist wolkenlos. Die Amseln zwitschern lauter und aufgeregter als sonst. So, als wollten sie uns etwas Wichtiges melden.
Wie oft ich hier mit Arthur Arm in Arm spazieren gegangen bin, ahnungslos, dass wir an genau diesem Ort einmal mit der Angst im Nacken vorbeirennen würden, erfüllt von der bösen Vorahnung, was mit Alina sein wird.
    Arthurs Haare flattern nach hinten weg und ich kriege kaum noch Luft. Nur noch zweihundert Meter, dann erreichen wir den Waldrand. Jetzt hinein, am Reiterdenkmal vorbei, das an den tödlichen Unfall einer jungen Reiterin erinnern soll, die in dem Herrenhaus wohnte, in dem jetzt Rita mit ihren Töchtern residiert. Von hier aus kann man zwischen

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