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Leute, das Leben ist wild

Titel: Leute, das Leben ist wild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Hennig Lange
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jede Sekunde mit den ersten Gästen. Da soll gute Stimmung herrschen. Vor Alice und Susanna ist mir so ein Theater egal, die ticken ja selbst nicht ganz richtig. Außerdem will ich endlich duschen und ich kann nicht ins Bad, wenn Alina da drinnen durchdreht. Hinterher öffnen diese beiden Wunder-Girls noch Albert und seiner durchgeknallten Ex die Tür. Da muss Alina ein Auge drauf haben. Ich klopfe noch mal zaghaft an. »Alina? Mach mal auf!«
    »Vergiss es! Ich mach nie wieder auf! Ich spül mich im Klo runter!«
    »Alina, bitte!«

    »Hau ab!«
    Okay, toller Geburtstag. Ich muss sagen, ich bin leicht gestresst. Mama könnte mir ruhig mal zur Seite stehen oder sollte ich ihr zur Seite stehen? Schließlich ist sie es, die heute überraschend von ihrem Ehemann wegen einer plastischen Chirurgin verlassen wurde. Unter uns: Das ist ein echter Klopfer, wenn ich mir das recht überlege. Sowieso hat meine Mutter im Laufe ihrer Ehe ziemlich viele Klopfer von Papa still ertragen, in der Hoffnung, dass sich das Ganze irgendwann mal rentiert. Den Fehler machen wir Frauen ja gerne. Wir denken, wenn wir nur lange genug mit einem Vollarsch zusammen sind, rentiert es sich am Ende. Könnt ihr knicken. Zum Abschluss kriegt man zum Dank nur noch einen kräftigen Tritt in den Hintern. Sieht man ja an meiner Mutter. Nie hat Papa mal das gemacht, wozu sie Lust hatte: gemeinsam Radfahren, Wandern oder Yoga. Das hat ihn gar nicht interessiert. Nach der Arbeit wollte er gleich im Keller Schuhe putzen. Oder an seinen expressiven Skulpturen rummeißeln - was Mama ja eigentlich sogar toll fand. Nur hätte sie sich gewünscht, dass er auch mal Interesse an ihr und ihrer Freizeitgestaltung gehabt hätte. Na ja. Kein Wunder also, dass er jetzt mit einer plastischen Chirurgin zusammen ist. In gewisser Hinsicht ist sie ja auch so eine Art Bildhauerin, also haben sie ein Thema, über das sie sich intensiv austauschen können.
    Ein letztes Mal klopfe ich an die Badezimmertür und kriege doch nur die gleiche Reaktion: »Hau endlich ab!«
    Ich versuche, Alinas Anfeindungen nicht persönlich zu nehmen, auch wenn ich das gern würde, um mir endlich auch mal ein bisschen leid zu tun. Aber automatisch übe ich mich wieder in innerer Stärke und fühle mich nicht
angegriffen, sondern wachse über mich hinaus und erkläre freundlich: »Wenn du Hilfe brauchst, oder jemanden, der dich fest drückt, lass es mich wissen.«
    »Hau ab!«
    Ist schon okay, wirklich! Irgendwo muss Alina ja mit ihrer überschüssigen Wut hin. Sehr gerne stelle ich mich ihr als Ventil zur Verfügung, denn vielleicht brauche ich ja irgendwann auch noch mal ihre Hilfe und bin froh, wenn sie mir dann zur Seite steht. Ich verabschiede mich von der verschlossenen Toilettentür und renne die Treppe hoch in den ersten Stock, um dann eben oben zu duschen. Hauptsache, ich dusche überhaupt noch und schaffe es, Arthur rechtzeitig abzufangen, bevor Alice und Susanna dem synchron stecken, dass Johannes meine »geheime Liebe« ist. Und was diese andere Problematik mit dem Roadie anbelangt: Die muss Alina jetzt verwalten. Schließlich ist sie auch fast volljährig.
    Als ich am Schlafzimmer meiner Eltern vorbeikomme, das ja jetzt wohl nur noch das Schlafzimmer meiner Mutter ist, höre ich Mama durch die angelehnte Zimmertür hauchen: »Sammy, Sammy, Sammy! Was ist das denn für eine heiße Tätowierung da auf deiner Brust!?«
    »Die fotorealistische Darstellung eines Ferraris.«
    »Die ist aber sehr gut geworden. Tat das weh?«
    »Ein bisschen. Aber ich bin hart im Nehmen.«
    »Oh!«
    Ich schleiche mich näher heran, obwohl ich gar nicht will. Wirklich! Ich möchte definitiv und unter gar keinen Umständen durch den Türspalt sehen, doch leider zieht er mich magisch an. Ich schließe die Augen, klappe sie wieder auf und halte den Atem an. Mit halb heruntergerutschtem Handtuch und nassen Haaren steht meine
Mutter am Fenster, der hellbeige Vorhang ist halb zugezogen. Dahinter brennt die Sonne rot am Abendhimmel. Sehr poetisch. Dicht vor ihr steht Samuel in seinen Baggy-Jeans, die unterhalb seines Pos mit einem Gürtel um die Oberschenkel geschnürt wurden. Zur Information: Er trägt weiße Rippunterhosen. Obenrum ist er nackt, und ich muss sagen, liebe Freunde: Hier in diesem Haus befindet sich jemand, der mehr als einfach nur durchtrainiert ist. Hier in diesem Haus befindet sich ein Mann, dessen Körper so heiß ist, dass mir dafür schlicht die Worte fehlen. Sein Name ist Samuel. Scheiße, Mädels.

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