Leute, ich fuehle mich leicht
kann man gar nichts gegen machen. Egal wie sehr man sich bemüht, sie kommen immer wieder hoch.
Mama wird gleich nach Hause kommen und hoffen, dass Cotsch und ich da sind. Zumindest ich bin ja sonst immer da. Auf mich ist Verlass, weil auf Cotsch schon keiner ist. Vermutlich wird Mama, wenn sie schnallt, dass wir nicht da sind, versuchen, uns auf den Handys zu erreichen, um zu prüfen, ob wir wenigstens noch am Leben sind. Ich schalte vorsichtshalber den Ton ab, um nicht in Versuchung zu geraten, doch dranzugehen. Ich will nämlich nicht mit ihr reden. Die soll ruhig mal ein bisschen nachdenken, ob das alles so in Ordnung ist, was sie da mit Rita treibt. Ich sehe sie schon vor mir, wie sie immer wieder hektisch Cotschs und meine Nummer ins Telefon tippt, sich den Hörer ans Ohr presst und mit weit aufgerissenen Augen lauscht, ob wir endlich drangehen. Und wenn dann noch immer nichts passiert, schwingt sie sich schnell auf ihr Rad und rast durch die Siedlung, am Kloster vorbei, in den Park, zu der Stelle, wo sich der Fluss reißend in eine Kurve legt und die Strudel jeden Idioten nach unten ziehen, der sich hineinwirft. Ein paar Bescheuerte wollten da im vorherigen Sommer mal schwimmen gehen. In letzter Sekunde mussten sie von einem Haufen Angler in Gummihosen gerettet werden. Ertrinken finde ich blöd. Mamas Lippen werden zittern, und sie wird flüstern: »Warum, warum nimmt niemand Rücksicht auf mich?« Sie wird weinen, in die Pedale treten und ganz alleine sein. Im Park, dicht am Flussufer, wird sie sich zu guter Letzt auf einen bemoosten Baumstumpf hocken und davon träumen, ins Kloster gehen zu können. Um endlich Ruhe zu haben. Kann ich ja auch verstehen. Gerade würde ich nämlich auch am liebsten ins Kloster gehen. Ich gucke auf mein Handydisplay, das lautlos leuchtet. Es ist Mama. Ich gehe nicht dran. Auch wenn es mir im Herzen wehtut. Ich sehe ihr hilfloses Gesicht genau vor mir, sehe ihre Augen, meine geliebten Mama-Augen, mit denen sie mich in der Kindheit bis in den Schlaf bewacht hat. Damals war noch alles gut. Gerade als ich doch rangehen will, um Mama, wie man so schön sagt, ein Lebenszeichen zu geben, tippt mir jemand von hinten auf die Schulter.
»Darf ich mich neben dich setzen?«
Leute! Es ist der traurige Helmuth im Eins-a-Tennisdress. Weißes Poloshirt, weiße Shorts und Schweißbänder um die Handgelenke. Der hat mir gerade noch gefehlt. Ich lächle, um ihm trotzdem ein gutes Gefühl zu geben, und sage: »Ja, klar.«
Scheiße, Freunde. Er scheint sich mit Aftershave übergossen zu haben. Ich kotze. Das müffelt echt extrem. Außerdem habe ich keine Ahnung, worüber ich mit dem reden soll. Aber das brauche ich gottlob auch nicht. Denn er setzt nahtlos an.
»Gut, dass wir uns mal treffen.«
»Ja? Warum?«
Ich wette, er will mir sein zertrümmertes Herz ausschütten. Kann er sich zu dem Zweck nicht irgendeinen Tennisbruder suchen? Besonders wenn ich mir vorstelle, wie er die letzte Nacht stöhnend und ächzend in Cotschs Rüschenbett verbracht hat. Helmuth presst die Lippen aufeinander, nickt ein paarmal mit weit aufgerissenen Augen und meint mit so ganz ruhiger Stimme: »Kannst du mir bitte mal verraten, was mit deiner Schwester los ist?«
Ich habe es geahnt. Habe ich es nicht gesagt? Ich meine, nennt mich Super-Guru! Tagaus, tagein habe ich es nur mit Psychowracks zu tun und immer muss ich die Fahne hochhalten. Um Cotsch nicht gleich ans Messer zu liefern, bitte ich Helmuth erst einmal um ein paar Anhaltspunkte mehr.
Ich frage: »Ist dein Auto kaputt?«
»Was?«
»Ob dein Auto kaputt ist, habe ich gefragt.«
»Du meinst, weil ich mit der U-Bahn fahre?«
»Ja, genau.«
Ich nicke und rechne im Kopf aus, wie viele Minuten ich noch mit dem müffelnden Helmuth durchbringen muss, bis wir in der Innenstadt ankommen.
Helmuth klatscht seine Hände flach auf seine nackten Tennistrainer-Oberschenkel und meint: »Ehrlich gesagt habe ich dich eben in Richtung U-Bahn laufen sehen. Da bin ich hinterher, weil ich dachte, dass das ein guter Platz zum Reden ist.«
»Aha.«
Okay, Leute. Wenn Helmuth wissen will, was mit meiner Schwester nicht stimmt, dann sollte er sich am besten selber fragen. Der Typ ist ein Eins-a-Stalker.
Helmuth beugt sich etwas weiter zu mir rüber, sodass sich jetzt unsere Schultern berühren, und meint: »Ich will nicht um den heißen Brei herumreden: Ich liebe deine Schwester.«
Ich sage: »Ich weiß.«
Helmuth hebt die Hände mit seinen Schweißbändern: »Was habe
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