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Leute, ich fuehle mich leicht

Titel: Leute, ich fuehle mich leicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Hennig von Lange
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Umlauf gebracht, dass Cotsch eine Nutte ist. Das werde ich jetzt mal wieder geraderücken.
    Ich räuspere mich und falte die Hände im Schoß:
    »Constanze hat eine schwere Kindheit hinter sich. Sie hat es nicht leicht gehabt. Und wenn Sie anfangen, meiner Schwester die ganze Verantwortung zuzuschieben, kann ich Sie nur warnen.« Ich setze meinen stahlharten Blick auf. Jetzt reicht es mir echt.
    Helmuth klatscht wieder seine Hände auf die haarigen Oberschenkel: »Sie hat mich belogen! Ich dachte, sie ist schwanger! Ich habe bereits ein Kinderbettchen im Versand bestellt.«
    »Meine Güte!«
    »Ja!«
    »Na, gut. Ich werde mit meiner Schwester reden, dass es so nicht geht.«
    »Mach das. Und sag ihr, sie kann jederzeit wieder zu mir zurückkommen. Ich bin ihr nicht böse. Auch wenn sie das vielleicht denkt. Dann fahre ich sie meinetwegen auch zu ihren komischen IQ-Tests.«
    »Ich dachte, Sie...«
    »Was?«
    »Schon gut.«
    Beinahe wäre mir die Info rausgerutscht, dass Helmuth ja bereits gestern Nacht wieder bei uns war. Aber derart privat müssen wir ja doch nicht werden. Helmuth stiert mich fragend an und ich ignoriere das. Und als die U-Bahn an der Station »Barock-Gärten« hält, gucke ich zufällig auf der anderen Seite aus dem Fenster, um zu prüfen, ob die große Fontäne an ist. Das mache ich immer automatisch. Das ist ein richtiger Reflex. Ich kann gar nicht anders. Doch bevor ich über die hohen, akkurat geschnittenen Hecken hinweg das Auge scharf stelle, sehe ich, wie ein großer Typ auf seinem Fahrrad direkt am Fenster vorbeigurkt. Es dauert keine vier Sekunden, bis ich geschnallt habe, dass es Johannes ist. Und dann dauert es nicht mal eine Sekunde, bis ich aufspringe, Helmuth »Adios, Amigo« sage, zur Tür hechte und versuche hinauszuspringen. Gerade als ich schon fast durch bin, klappt das Scheiß-Ding zu.

10
    I ch schmeiße mich trotzdem in den enger werdenden Spalt. Ich will es schaffen! Über der Tür geht dieses bekloppte Warnsignal an und ich klemme fest. Brillant! Das wäre doch gelacht, wenn ich hier nicht wieder rauskomme! Muss ja. Die Bahn kann schließlich nicht einfach losfahren, wenn ich noch in der Tür feststecke. Mein halber Körper hängt schon draußen, die Tür drückt mir ganz schön die Luft ab. Das kann man sagen. Mit dem inneren und dem äußeren Arm stemme ich mich von beiden Seiten gegen die Falttür und endlich geht sie wieder auf. Ich springe raus, in die Mittagssonne und da steht auch schon Johannes, fünf Meter weiter am Taxistand, das Fahrrad zwischen seine Beine geklemmt, und winkt mir zu.
    »He, was machst du denn da?«
    Tja, was soll ich dazu sagen? Ich muss ihm ja nicht gleich auf die Nase binden, dass ich ihn habe vorbeifahren sehen und derart scharf drauf war, ihm Hallo zu sagen, dass ich bereit war, mich von der Falttür kräftig zerquetschen zu lassen. Ich zucke also mit den Schultern und erkläre: »Ich dachte, bei dem schönen Wetter gehe ich mal ein bisschen spazieren.«
    »Und warum steigst du dann so spät aus, dass du in der Tür eingeklemmt wirst?«
    »Aus sportlichem Ehrgeiz.«
    »Aha.«
    Johannes nickt mit hochgezogenen Mundwinkeln, so als müsse er sich das Grinsen verkneifen. Eindeutig: Er findet mich cool. Unter uns: Ich habe nichts anderes erwartet. Kleiner Scherz am Abgrund. Hinter mir fährt die Bahn wieder an und düst mit dem trostlosen Helmuth ins Nirgendwo. Den will ich echt nie wieder sehen. Meine arme Schwester. Ich hoffe, die hat dem nie einen geblasen, wie man das in Fachkreisen so nennt. Der hat sein Leben ja wohl überhaupt nicht im Griff. Im Gegensatz zu mir. Ich stehe direkt vor Johannes und blinzle zu ihm nach oben. Genial, wie das Schicksal uns Menschen wunschgemäß zusammenführt. Johannes ist wirklich ziemlich groß, und hinter seinem güldenen Haupt strahlt die liebe Sonne, als hätte er einen überirdischen Heiligenschein oder so. Sehr kunstvoll. Das muss ich sagen. Außerdem hat er weiße, geputzte Zähne. So etwas muss man wertschätzen. Er grinst mich an, und irgendwie habe ich das Gefühl, dass wir uns gut verstehen könnten. Johannes hat - genau wie gestern Abend - wieder mehrere T-Shirts übereinander an und das oberste ist ziemlich durchlöchert und mit Farbe bespritzt. Ich tue so, als ob ich das nicht sehe. Hauptsache, mir klebt nicht irgendetwas Ekliges im Gesicht. Getrockneter Erdbeershake oder Oleanderblüten. Ich weiß gar nicht, wann ich mein Antlitz zum letzten Mal im Spiegel überprüft habe. In jedem Fall ist es

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