Leute, ich fuehle mich leicht
ich ihr getan, dass sie mich nicht mehr liebt?«
»Vermutlich nichts, außer dass Sie ein Mann sind.«
»Du meinst, sie ist lesbisch?«
Bei so einer Mutter wie unserer könnte das theoretisch gut möglich sein. Aber wer Cotsch kennt, weiß, dass das bei ihr nicht der Fall ist. Ich schüttle den Kopf und sage: »Cotsch hasst alle Männer.«
»Warum?«
»Schlechte Erfahrungen.«
»Mit wem?«
»Mit Antoine.«
»Gérard-Michels Sohn?«
»Exakt!«
»Aber das ist doch schon ein bisschen her.«
Meine Güte. Helmuth will es aber genau wissen. Nur zur Info: Antoine ist der Sohn von unserem anderen Nachbarn Gérard-Michel. Der ist, wie der Name schon sagt, Franzose. Sein Sohn Antoine lebt in der Provence bei seiner leiblichen Mutter. Gérard-Michel lebt in unserer Nachbarschaft mit seiner ungefähr fünften Frau Dorle. Letztes Jahr im Sommer ist Antoine zu uns nach Deutschland gekommen. Bei der Gelegenheit hat sich Cotsch in ihn verliebt. Und weil Antoine sie wie Dreck behandelt hat, vermutet sie bis heute, dass er ihre große Liebe ist. Da sich Antoine aber nie wieder bei ihr gemeldet hat, ist Cotschs Hass auf die Männer ins Unermessliche gestiegen. Alles klar?
Ich zucke mit den Schultern und sage: »Tja, ich wundere mich auch.«
Helmuth zuckt ebenfalls mit den Schultern. Dann nickt er manisch, sodass ich denke, sein Kopf fällt ihm gleich von den Schultern. »Hat sie dir gesagt, dass sie schwanger ist?«
»Was?«
»Verdammt! Deine Schwester ist schwanger.«
»Kann gar nicht sein.«
»Warum nicht?«
»Weil sie sich so einen Hormon-Chip unter die Haut hat verpflanzen lassen.«
»Vielleicht hat sie sich den wieder entfernen lassen.«
»Niemals. Meine Schwester will keine Kinder.«
»Warum nicht?«
»Weil das ein ungeklärtes Thema zwischen Männern und Frauen ist. Sie will sich nicht als Mutter unterdrücken lassen.«
»Aha.«
Helmuths Pupillen rollen im Kreis. Er scheint etwas zu brauchen, um zu verarbeiten, was ich ihm gerade gesteckt habe. Offenbar ist das ein Thema, über das er sich noch nicht allzu viele Gedanken gemacht hat. Dann fällt mein Blick wieder auf mein Handy, und ich sehe, dass Mama immer noch anruft. Das trifft sich gut.
Ich gebe Helmuth ein Handzeichen und hebe ab. »Ja, bitte?«
»Wo bist du?«
»In der U-Bahn.«
»Warum?«
»Weil ich in die Stadt zu Tessi fahre.«
»Aber du warst heute nicht in der Schule.«
»Macht doch nichts.«
»Und wenn dich deine Lehrer sehen?«
»Dann sage ich, ich fahre zum Arzt.«
»Wann bist du zurück?«
»Zum Abendbrot.«
»Weißt du, wo Constanze hinwollte? Sie ist weg!«
»Leider nicht.«
»Wo kann sie denn sein?«
»Na, bei irgendeinem Typen.«
Scheiße, Leute! Das hätte ich wohl besser nicht in Helmuths Gegenwart sagen sollen. Er reißt seine Glupscher auf und flüstert mir die ganze Zeit dazwischen, ob ich da etwa gerade von Cotsch geredet habe. Ich mache so eine wegwerfende Handbewegung und schüttle den Kopf. Der soll sich mal zusammenreißen. Wir sind hier nicht im Kindergarten.
Am anderen Ende der Leitung fragt Mama: »Ist bei dir sonst alles in Ordnung? Hast du etwas gegessen?«
»Ja-ha.«
»Ruf mal zwischendurch an.«
»Ja, mache ich.«
»Hast du wirklich was gegessen?«
Ich klappe mein Handy zu und Mama legt den Telefonhörer auf. Meine Güte, Mama leidet echt unter Übersprungsgedanken. Nach der Performance im Garten macht sie sich original Sorgen, ob mich meine Lehrer in der U-Bahn antreffen könnten. Crazy. Echt crazy. Ich sehe sie genau vor mir, wie sie neben dem Telefontischchen im Wohnzimmer steht. Ganz still ist es um sie herum. Sie steht da, an der großen Wohnzimmerfensterscheibe, sieht hinaus in den Garten, in dem Cotsch und ich als kleine Mädchen in unseren Sommerkleidchen herumfegten, sieht die gelben Blätter der Akazie langsam auf den Rasen segeln und wünscht sich, dass wieder alles so wäre wie früher. Und dann denkt sie wieder an Rita und wünscht sich vielleicht, mit ihr einfach abzuhauen, alles hinter sich zu lassen. Dann geht sie aber doch in die Küche und fängt an, das Mittagessen zu kochen, weil Cotsch ja irgendwann nach Hause kommen könnte. Da muss die Suppe dampfen, sonst kriegt sie schlechte Laune. Cotsch rührt echt keinen Finger im Haushalt. Die lässt sich nur bedienen. Sobald sie aus der Schule kommt, haut sie sich im Wohnzimmer aufs Sofa, schlägt die Beine übereinander und fängt an, in ihren historischen Fünfhundertseitenwälzern zu lesen, in denen es immer um junge unterdrückte
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