Leute, ich fuehle mich leicht
würde ich auch gerne mal machen.«
»Der matscht den ganzen Tag mit Lehm rum und letzten Monat hat er sogar einen Brunnen gebohrt.«
Johannes tippt wieder auf seinem unsichtbaren Keyboard herum, wobei ihm seine hellroten Haare vor das Gesicht fallen. Wenn ihr mich fragt: Er sieht echt gut aus.
Als er sein Solo fertig geklimpert hat, schielt er mich zwischen seinen Haarsträhnen hindurch an und fragt: »Und? Hast du ihn geliebt?«
»Irgendwie schon.«
»Und hat er dich geliebt?«
»Klar.«
»Vermisst du ihn?«
»Manchmal.«
Scheiße, Leute. Ich will über das Thema Arthur lieber nicht nachdenken. Sofort sehe ich ihn vor mir, sein liebes, freundliches Gesicht, seine Arthur-Augen. Alles an ihm war meins. Ich war seins. Und bei ihm fühlte ich mich immer geborgen. Das war schön. Ich dachte, nun ist Arthur meine Familie. Aber daraus ist ja bekanntlich nichts geworden. Er hat mir einen letzten Kuss gegeben und ist ins Flugzeug gestiegen. Mein Blick schweift in die Ferne, hinaus auf die silbrigen Elefantengräser, über mir kreisen die Geier - und wäre ich allein, ich würde direkt losflennen. Doch Johannes scheint ein Gespür für knifflige Momente zu haben. Er schlägt mir nämlich schon wieder auf den Oberschenkel und meint: »Babe, ich habe eine fetzige Idee!«
11
L eute, ich liege mit dem Rücken auf Johannes’ Matratze und habe meine Jeans bis unter die Hüftknochen geschoben. Johannes kniet über mir, seine hellroten Haare hängen ihm vors Gesicht und leider kann er seine Zimmertür nicht abschließen. Ich kann nur hoffen, dass nicht seine Mutter oder irgendein anderes Familienmitglied, ohne anzuklopfen, reingeplatzt kommt. Eben hat sich Johannes das scharfe Obstmesser aus der Küche geholt und etwas Desinfektionsspray aus dem Badezimmer, mit dem man normalerweise Klobrillen keimfrei abwischt. Damit hat er mir meine Leistengegend gereinigt und anschließend mit einem dünnen Faserschreiber eine Art Mikrobe hingemalt. Die ritzt er jetzt gerade mit dem Küchenmesser nach. Unnötig zu erwähnen, dass dieser Vorgang scheiße wehtut. Danach wiederhole ich das Gleiche bei ihm. Ja-ha! Wir machen uns solche aufgequollenen Zulu-Verzierungen, die Johannes gestern in einem alten Geo-Magazin von 1975 bei seinem Vater im Büro entdeckt hat. Das geht ganz leicht: Man ritzt sich die Haut ein, bis es blutet. Als Nächstes streut man tüchtig Asche in die Wunde und wartet, bis das Ganze einigermaßen verheilt ist. Danach wiederholt man die Prozedur und am Ende hat man eine schicke, wulstartige Narbe. In unserem Fall in Form einer Mikrobe. Das ist unser Zeichen für »psychisch gestörte Kinder«.
Johannes hat seine Zunge zwischen die Lippen geklemmt, so konzentriert ist er. Er will ja nicht danebenschneiden. Ich muss sagen: Es tut wirklich weh, sodass ich echt hoffe, nicht gleich wieder zu kollabieren. Also atme ich tief ein und aus und konzentriere mich auf das Geschehen am Himmel. Gerade als ich, da unten liegend, in das wolkenlose Blau starre und ein Segelflieger silbrig - wie eine Seerobbe - quer über den Himmel gleitet, fliegt die Tür mit einem kräftigen Schlag auf, und jemand springt ins Zimmer.
»Baby, hands up!«
Johannes zuckt zusammen und das Messer ritzt quer über meinen Bauch. Zum Glück spüre ich keinen Schmerz, das heißt wohl, ich bin relativ unverletzt. Schnell ziehe ich meine Hose hoch und Johannes faltet die Hände im Schoss, als wollte er beten.
»Ey, Samuel, kannst du mal bitte anklopfen, bevor du das Zimmer betrittst?«
Vor uns steht ein wahnsinnig aussehender Typ in weiten Jeans und einem riesigen grasgrünen Kapuzenshirt. Mit seinem Zeige- und Mittelfinger zielt er auf uns, als hätte er eine Pistole in der Hand. Dazu grinst er total bescheuert.
»Babes, was macht ihr denn hier? Gruppensex oder was?«
Ich richte mich etwas auf und mein Hosenbund drückt auf meine geritzte Wunde. Wir haben noch gar nicht die Asche hineingestreut. Wenn wir das jetzt nicht machen, wird das nichts mit unserem Narbenvorhaben. Außerdem blute ich bestimmt gerade von innen meine ganze Jeans voll. Johannes sieht kurz zu mir herüber, dann wieder zu diesem Samuel. Wenn ich wenigstens wüsste, wer der Freak ist.
Johannes macht eine müde Geste: »Das ist mein Cousin Samuel, das ist Elsbeth.«
»Elsbeth?«
Samuel zieht eine Grimasse.
Ich hebe kurz die Hand: »E-li-sa-beth.«
»Ja und? Habe ich euch gerade gestört? Wart ihr dabei, eine flotte Nummer zu schieben, oder was geht ab?«
Samuel zappelt vor uns
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