Leute, ich fuehle mich leicht
herum, als würde er ein Hip-Hop-Battle hinlegen wollen, und ich wünschte, er würde sich wieder verpissen. Aber ich bin hier ja nicht zu Hause. Also versuche ich, gelassen zu bleiben, und lehne mich mit dem Rücken gegen die Wand. Ich befürchte allerdings, nun doch kurz aufs Klo gehen zu müssen, um meine Wunde irgendwie notdürftig zu versorgen. Die Jeans scheuert jetzt ziemlich schmerzhaft auf der aufgeritzten Stelle herum.
Johannes nimmt das Obstmesser, das neben mir auf der Matratze liegt und wirft es auf das Nachttischchen. »Was willst du, Sam?«
»Fragen, ob du mit fighten kommst?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Weil das scheiße ist.«
»Du hast ja bloß Schiss, dass dir wieder einer sämtliche Knochen bricht.«
»Jetzt quatsch nicht rum. Außerdem habe ich Besuch, wie du siehst.«
Samuel glupscht mich an, und ich muss sagen: Der Typ ist mir nicht ganz geheuer. Ich meine, der weiß echt nicht, wie man sich benimmt. Der springt hier einfach so rein, obwohl ich meine Hose unten habe, und ignoriert alle Zeichen. Ich krabble von der Matratze, stelle mich aufrecht hin und halte meine Jeans oben zusammen, damit sie mir nicht nach unten bis unter die Knie rutscht.
Samuel glotzt mich durchdringend an und meint: »Sag mal, bist du magersüchtig?«
Und ich frage: »Wo ist denn bitte das Badezimmer?«
Johannes rappelt sich auch gleich auf und stellt sich neben mich.
»Ich zeig’s dir.«
Wir schieben uns an diesem voluminösen Samuel vorbei in den dunklen Flur hinaus.
Er brüllt hinter uns her: »Komme ich gerade ungelegen, oder was?«
Ich muss sagen, der Typ ist irre schnell im Kopf. Er folgt uns und bleibt im Türrahmen stehen, sodass das Tageslicht von hinten kommt und er sich wie eine mächtige dunkle Erscheinung über den Nachmittag legt. Johannes und ich gehen den Gang hinunter, am Ende öffnet Johannes eine schmale weiße Tür. Er greift neben den Türrahmen und knipst das Licht an. Ich sehe uns im Spiegel, unsere Gesichter passen wirklich gut zusammen - wir sind beide sehr blass.
Johannes lächelt und streicht mir mit dem Zeigefinger kurz über die Wange: »Brauchst du ein Pflaster?«
»Ich weiß nicht.«
»Wir quetschen uns nun vollständig in das enge Klo hinein, in dem nichts ist als ein winziges Waschbecken und eine Toilette mit Holzklobrille. Es riecht nach Zitrone, aber nicht nach diesem künstlichen Duftstein, sondern nach so einem Bioreinigungsmittel. Das würde Mama gefallen. Leider kann man auch hier nicht die Tür abschließen, darum stellt Johannes seinen Turnschuhfuß von innen davor. Ich frage mich, warum die in diesem Haus keine Schlüssel für die Toilettentür haben, vielleicht sind hier auch alle Kinder selbstmordgefährdet. Ich werde das nachher mal eruieren. Erst einmal ziehe ich meine Hose wieder runter, damit wir uns das Mikroben-Werk ansehen können.
Von außen klopft schon wieder dieser irre Samuel an die Tür: »He! Lasst mich rein! Was macht ihr dadrinnen? Schweinereien?«
Johannes flüstert: »Schnauze!«
Wir kichern und dann bestaunen wir den blutverschmierten Fleck auf meinem Unterhosenbund. Ich schiebe ihn zur Seite und meine Haut ist ebenfalls blutverschmiert. Darunter ist die Form einer Mikrobe zu erkennen. Johannes zieht die Lippen zwischen die Zähne und die Augenbrauen zusammen. Es ist wirklich ziemlich eng in diesem Raum hier.
Ich frage leise: »Was machen wir jetzt?«
»Theoretisch müssten wir ganz schnell Asche reinstreuen.«
»Aber Samuel ist noch da.«
»Dann müssen wir ihn loswerden.«
»Und wie?«
»Indem ich ihm sage, dass er sich gefälligst verpissen soll.«
»Ist das nicht unhöflich?«
Johannes zuckt mit den Schultern. »Na und? Der ist doch selbst unhöflich.«
»Da hast du recht.«
Johannes quetscht sich durch den Türspalt in den Flur raus, und ich höre, wie er zu Samuel sagt: »He, Sam! Geh mal fighten, wir sprechen später.«
Schon kommt er wieder rein und meint: »Manchmal kann Samuel echt nerven.«
Ich nicke, weil ich das auch finde, und dann waschen wir uns beide gründlich die Hände, um den zweiten Teil unserer Aktion in Angriff zu nehmen.
Leute, ich habe noch nie einem Menschen die Haut eingeritzt und es ist echt eine bewusstseinserweiternde Erfahrung. Nun haben Johannes und ich beide aschegefüllte Mikroben in der Leistengegend. Ich finde, das verbindet uns mehr als eine Eheschließung. Wir sitzen wieder auf seiner Matratze, lehnen uns an die Zimmerwand und rauchen. Die Musik quillt aus den Boxen, und irgendwie
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