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Leute, ich fuehle mich leicht

Titel: Leute, ich fuehle mich leicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Hennig von Lange
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nach: »Ich habe Henrie schon abgeholt!«
    Tatsächlich! Zwischen den beiden riesigen chinesischen Vasen kauert ein kleiner, blonder Junge mit verheulten Augen und winzigen Basketballsneakern an den Füßen. Ohne Schnürsenkel! Er starrt Johannes hasserfüllt an: »Du sollst sterben! Du Kackstelze!«
    Johannes geht näher heran und kniet sich vor seinen kleinen Bruder hin.
    »Es tut mir leid, Henrie. Bitte sei nicht böse auf mich!«
    »Ich hasse dich! Du sollst sterben!«
    »Wirklich?«
    »Ja! Du hast mich einfach vergessen!«
    Und zack, presst sich Johannes die Hände aufs Herz und kippt nach hinten um, wobei er leider mit seinem Bein eine der chinesischen Vasen mit sich reißt und auf diese Weise total zerstört. Leute, ich würde sagen: Schlimmer geht es nicht mehr. Johannes’ Mutter starrt entgeistert auf die tausend Scherben und schüttelt mit offenem Mund nur stumm den Kopf. Mehr geht wohl nicht. Johannes und Henrie stellen sich sehr schnell auf ihre Basketballsneaker und stottern herum. Ich halte es nicht aus. Das ist peinlich. Und zu allem Überfluss klingelt mein Handy und Alina ist dran. Typisch! So ist Alina. Weil ich nicht weiß, was ich sonst machen soll, gehe ich dran.
    »Ja? Alina? Ich kann gerade nicht.«
    »Du musst mir helfen!«
    »Wobei?«
    »Bei einer Aktion.«
    »Können wir da bitte morgen in der Schule drüber reden?«
    »Kommst du denn überhaupt?«
    »Ja.«
    »Wehe, nicht!«
    Ich lege wieder auf und lächle so ein bisschen freundlich in die Runde. Dann sage ich: »Ich muss leider los.«
    Ich hechte zur Haustür und ziehe sie auf.
    Johannes kommt hinterher und ruft seiner Mutter zu: »Ich bin gleich wieder da. Dann klebe ich dir die Vase mit Sekundenkleber zusammen.«
    Und seine Mutter ruft zurück: »Johannes! Bleib hier!«
    Aber da ist die Haustür auch schon zu und Johannes und ich stehen in der lauen Sommernacht. Die Luft ist ganz weich und mild, von weit weg hören wir die Autos über das Kopfsteinpflaster brausen. Ich klappe mein Handy auf und rufe eilig zu Hause an. Im Augenwinkel sehe ich, wie hinter dem Küchenfenster das Licht angeht. Johannes’ Mutter steht da, im gelben, wohligen Licht, und blinzelt zu uns ins Dunkle. Wahrscheinlich sieht sie nur das bläuliche Schimmern meines Displays. Johannes winkt ihr fröhlich zu und dann zieht er mich am Arm, raus aus dem Vorgarten auf den gepflasterten Weg hinaus. Den schlendern wir hinunter, das Licht der Laternen wirft milchiges Licht auf uns, die nachtaktiven Insekten schlagen ihre Flügel gegen die gläserne Ummantelung der Lampen und am anderen Ende der Leitung geht Mama ans Telefon. Ich höre ihre atemlose Stimme.
    »Lelle? Wo bist du? Soll ich dich holen kommen?«
    »Nein, danke. Ich bin schon fast zu Hause. Nur noch ein paar Stationen mit der U-Bahn.«
    »Ich habe die ganze Zeit versucht, dich anzurufen.«
    »Ich hab’s gesehen. Zehnmal.«
    »Weißt du, wo Constanze ist? Ich erreiche sie nicht.«
    »Wahrscheinlich bei Helmuth.«
    »Was? Wieso denn bei Helmuth? Ich denke, da ist Schluss.«
    »Na, bei irgendwem muss sie doch sein.«
    »Bitte nicht. Ich will nicht mehr. Kannst du da gleich mal vorbeigehen und gucken?«
    »Nur wenn du mir fünf Euro gibst.«
    Ich klappe das Telefon zu, taste nach Johannes’ Hand und flüstere: »Meine Mikrobe tut weh.«

12
    A ls die Sonne am Himmel steht, ein neuer Tag angebrochen ist und Mama wieder einmal, ohne anzuklopfen, in mein Zimmer stürmt und den Vorhang zur Seite reißt, würde ich zugegebenermaßen gerne noch ein wenig liegen bleiben und mich in meinen sehr angenehmen Traum mit Johannes zurückbegeben - wobei, wenn ich ehrlich bin: So angenehm war er gar nicht - beziehungsweise nur bis zur Mitte. Im ersten Teil haben wir wieder auf seiner Matratze in seinem Zimmer gelegen und rumgeknutscht. Doch plötzlich ging die Tür auf und Arthur stand wie angewurzelt im Raum. Seine Arme hingen kraftlos nach unten, er schüttelte langsam den Kopf und flüsterte: »Lelle, was machst du da?« Ich wusste natürlich erst nicht, was ich sagen sollte. Schließlich habe ich gestammelt: »Du hast mich allein zurückgelassen.« Aber davon wollte Arthur nichts hören. »Ich liebe dich. Das weißt du doch.« Dann hat er sich einfach umgedreht und ist gegangen. Aus der Tür, aus der Zeit. Und Johannes hat mich komisch angesehen und gefragt: »Wer war das denn bitte?«
    Jetzt hockt Mama auf meiner Bettkante, streicht mir die Haare aus der Stirn und meint: »Schnuffelchen, du musst aufstehen. Du kommst zu spät

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