Level 26 – Dunkle Offenbarung
einen Moment lang, bevor er unvermittelt wieder beunruhigt wirkte. »Moment mal – Sie lügen mich an, nicht wahr?«
Dark blätterte bereits durch seine Kontakte. Vincente Valentine war Regisseur gewesen, bis er sich in den 90ern zurückgezogen hatte. Nun lebte er in seinem riesigen und protzigen Strandhaus in Malibu Beach, nur wenige Häuser von der Stelle entfernt, wo Dark einst mit Sibby gewohnt hatte. Valentine hatte einmal damit geprahlt, dass er in den frühen 70ern mit Bethany Millar zusammengearbeitet hatte – »Allerdings, die Bethany Millar!« –, in einem Gangsterfilm mit dem Titel Deep Cut . Valentine war überrascht gewesen, dass ein Jungspund wie Dark überhaupt wusste, wer Bethany Millar war.
BITTE UM RÜCKRUF, tippte Dark in die Betreffzeile, dann schickte er das Bild ab.
Es dauerte keine sechzig Sekunden, bis Valentine sich meldete. Er nahm das Gespräch an derselben Stelle wieder auf, als hätten sie sich erst gestern Abend über das Thema unterhalten und nicht schon fünf lange Jahre davor. Man konnte sich darauf verlassen, diese Kreativen im Ruhestand riefen immer sofort zurück. Die meisten von ihnen hatten ihr Leben lang gleich neben dem Telefon auf den nächsten Anruf gewartet, und so eine Gewohnheit legte man nur schwer wieder ab.
»Nette Skizze, Stevie«, sagte Valentine. »Wo haben Sie die aufgetan?«
»In einer Kiste, in der das LAPD eine Bombe erwartet hatte.«
»Scheibenkleister. Ist das die Sache, von der ich auf CNN gehört habe? Eine Bombe? Das einzige Ding, das mir um die Ohren geflogen ist, war Deep Cut . Ein Tiefpunkt meiner Karriere.«
Noch so ein typischer Charakterzug der alten Hasen: Immer so tun, als könne einen gar nichts erschüttern. Nie.
»Können Sie mit der Skizze was anfangen?«
»In meinem Alter kann man eine Menge damit anfangen«, sagte Valentine. »Bethany hat nie besser ausgesehen. Ich glaub’, ich muss mal für eine Weile ins Badezimmer verschwinden.«
Vincente Valentine: immer ein Spaßvogel, selbst nach zweieinhalb Herzinfarkten und drei Exfrauen. Jedes Mal, wenn er Dark und Sibby getroffen hatte, hatte er Sibby angebaggert. Sie hatte es süß gefunden. Dark wusste, dass es für einen lebenslangen Schürzenjäger wie Valentine nicht mehr gewesen war als ein Reflex, so selbstverständlich wie Atmen.
»Fällt Ihnen sonst noch was zu der Skizze ein?«, fragte Dark.
»Sie sollten nicht nach dem Motiv fragen, Stevie , sondern nach dem Künstler.«
»Was meinen Sie damit?«
»Na, meine Rentneraugen mögen mich da trügen, aber ich könnte schwören, dass Herbie Loeb das gezeichnet hat. Was sehr merkwürdig wäre, weil … Heilige Scheiße, heißt das etwa, Herbie Loeb hat Bethany Millar gefickt? Und ich habe nichts davon gewusst?«
Da war sie – die Verbindung, nach der Dark gesucht hatte.
»Vielen Dank, Mr Valentine. Ich schulde Ihnen was.«
»Überhaupt nicht, Stevie. Sie haben diesem alten Mann eine Menge gegeben. Geben Sie Ihrer wunderschönen Frau einen Kuss von mir. Mit Zunge, versteht sich.«
Dark zuckte zusammen. Valentine wusste es gar nicht, erkannte er.
Fünf Jahre war es her, und alle Nachrichten hatten darüber berichtet, aber Valentine wusste es nicht.
Sibby war tot.
»Ja«, sagte Dark und beendete die Verbindung.
Dreißig Minuten später hatte man einen Kunstexperten aus Holmby Hills zum Polizeipräsidium geschafft, der die Skizze begutachten sollte. Ja, es war eine bisher unbekannte Skizze des bekannten Herbert Loeb, einem der bedeutendsten Pop-Art-Künstler des späten 20. Jahrhunderts. Diese Skizze sollte nicht existieren, sie konnte nicht existieren … Und doch war sie hier. Der Sachverständige sah so aus, als könne er jeden Moment einem Herzschlag zum Opfer fallen.
»Wo haben Sie das gefunden, sagten Sie? Und was geschieht, nachdem es als … ähm, Beweismittel gebraucht wurde?«
Dark schlenderte davon und sann über mögliche Schlussfolgerungen nach. Sie hatten es also mit jemandem zu tun, der genauso leicht einen Kunstdiebstahl zustande brachte wie einen terroristischen Anschlag und einen Doppelmord. Es bestand noch die entfernte Möglichkeit, dass es sich einfach um einen durchgeknallten Spinner handelte, der zufällig den Nachlass eines toten Künstlers durchstöbert hatte und auf diese bizarre Weise die Welt wissen lassen wollte, dass unbezahlbare Kunstwerke zum Verkauf standen.
Aber das passte nicht zu den übrigen Hinweisen – nicht zu der Uhr und auch nicht zu dem Rätsel.
Es war noch nicht
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