Level X
ahrheit, und nichts davon ist gelogen oder erfunden. Ich weiß, wie es im ersten Mo m ent klingen m uss, aber hab bitte Geduld. Hör m i ch bis zum Schluss an. Ich habe ein paar vage Vorstellungen davon, was geschehen ist. Und wie es geschehen ist. Aber dazu kom m en wir später. Das W i chtigste ist, dass du weißt, dass all d as nichts zwischen uns ändert. Ich erzähle dir das a lle s , weil ich d i ch lieb e . Du bist die Einzige, der i c h wirklich vertrauen kann, und wenn ich meine Last mit dir nicht teilen kann, dann ist m ein Leben nichts m ehr wert.« Und dann erzählte ich ihr die ganze G eschichte, von A n fang an bis zu eben je n em Augenblick, da ich mich entschlossen hatte, sie ins Vertrauen zu ziehen.
Als ich sc h lie ß lich v er stum m te, blieb Anne noch eine ganze W eile schweigend und reglos auf dem Rücken liegen und starrte an d i e Decke. Im ersten fahlen Licht der D ä m m erung, das sich durch e i nen Spalt in den schweren Vorhängen schob, konnte ich nicht viel m ehr als die Konturen ihres Gesichts erkennen. Plötzlich glaubte ich, eine Träne über ihre W ange laufen zu sehen. Einen Augenblick lang ergriff m i ch nackte Panik.
»Du glaubst m i r doch, nicht wah r ? «, fragte ich. Ich hatte die Geschehnisse der letzten Tage beim Erzählen noch ein m al so intensiv e rl e bt – vor allem den un e rträglichen Mo m ent von Annes Tod –, dass ich m i r un m öglich vorstellen konnte, irgendje m and könne an m einen W orten zweifeln.
»Oh, m ein Schatz, natürlich glaube ich dir!« Sie setzte sich auf und zog m i ch an sich, drückte m einen Kopf sanft an ihre Schulter, wiegte m ich und streichelte m i r zärtlich über die Haare. »Natürlich glaube ich dir«, wiederholte sie. »Es war richtig, dass du d i ch m i r an v e r t ra u t h as t . Du hast Schreckliches durchge m acht, und das ganz allein, ohne Hilfe. Aber jetzt ist a l les in Ordnung, wir werden das schon zusammen durchstehen. D u wirst sehen, alles kom m t wieder in Ordnung.«
Die Erleichterung, die ich bei diesen W orten spürte, war unbeschreiblich. Ich war verloren, verloren in einer fr e m den – oder beinahe fr e m den – Welt, gefangen in ein e r anderen Persönlichkeit, und hatte auf das, was als Nächstes geschehen würde, letztendlich sogar auf das, was ich im nächsten Augenblick denken würde, nicht den geringsten Einfluss. Und dennoch spürte ich Erleichterung: Ich hatte das Vertrauen des einzigen Menschen, der in den bevorstehenden stür m i schen Zeiten
m ein Rettungsanker und m ein sicherer Hafen sein würde. Die Erleichterung verwandelte sich rasch in unwiderstehliche Müdigkeit. Ich s c h lief auf der Stelle ei n , geborgen in Annes A r m en, die m i ch streichelte und tröstete wie ein Baby.
Als ich wi e der e rwachte, lag ich allein im Bett. Die Uhr zeigte 8:45, und ein heller S t reifen Licht um die noch im m er zug e zogenen Vorhänge deutete darauf hin, dass es ein sonniger Tag werden wür d e. Ich fühlte mich beim Aufstehen gut wie schon lange nicht m ehr. Tief ei nat m end zog ich die Vorhänge zurück. Ja, ich kannte den Ausblick, der sich m i r bot. Es ging m i r wie einem Menschen, der aus einem langen, dunklen Tunnel tritt, in dem er alles vergessen h at. Nur dass dieser Tu n nel zwei A u sgänge in zwei verschiedene und aus g esprochen unterschiedliche Realitäten hatte, verbunden durch ein Gehei m nis, das ich noch enthüllen m usste.
Zuerst jedoch m usste ich etwas gegen m einen Hunger tun. Ich zog m einen Haus m antel an und m achte m i ch auf den W eg zur Küche, in der Erwartung, Anne dort beim Bereiten des Frühstücks vorzufinden. Als ich jedoch die Schlafzimmertür öffnete, hörte ich sie m it je m and e m reden und zögerte.
Dann erkannte ich, dass nur ihre Stimme zu hören war. Sie telefonierte also. Und sie schluchzte dabei, als würde ihr das Herz brechen. U nd so war es wohl auch.
Sie sagte, sie habe i h r Bestes gegeben, die Situation jetzt aber nic h t m ehr im Gri ff . Man möge bitte k o mmen und m i ch abholen.
3
Als es schließlich an der Haustür klingelte, hatte ich m i ch bereits angezogen und war fast fertig da m it, die Tasche, die ich unten in m einem Kleiderschrank gefunden hatte, m it dem Allernötigsten zu packen. Ich hatte versucht, so lei s e wie möglich zu sein, um Anne nicht wissen zu lassen, dass ich ihr Gespräch m i tangehört hatte. Ich m achte ihr keinen Vo rw ur f ; sie hatte nur das getan, was jede nor m ale, fürsorgliche E h efrau getan
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