Level X
zu liegen, schien ihm unerträglich.
Ich nutzte die langen dunklen Stunden, so gut es ging, beschwor, wenn er schlief, Bilder von Anne in den Ar m e n eines Fremden hervor (wobei ich auf Erinnerungen an m eine Anne in m einen A r m en zurückgriff), und wenn er wach war, quälte ich ihn, »getarnt« als Sti mm e seines Unterbewusstseins, m it Hohn und Spott über seine eigenen sexuellen Unzulänglichkeiten. D i ese Vorgehensweise bereitete m i r kein Vergnügen, aber ich hatte keine andere Wahl.
Als der Morgen heraufd ä m m erte, war Richard A. H a m ilton mein willfähriges W erkzeug.
W i e vorausgesagt, hatte er die sc h lim m sten Sy m pto m e der Grippe nach vierundzwanzig Stunden überstanden. Statt jedoch wie geplant z u rück ins Büro zu eile n , beschloss er, einen weiteren T a g zu Hause zu bleiben, um sich ganz zu erholen. So behauptete er zu m i ndest Anne gegenüber. Außerdem sagte er Agnes, dass sie nicht länger als sonst zu bleiben brauc h e, er würde schon allein zurechtkom m en.
Den ganzen Nach m ittag suchte er hekti s ch nach belastenden Beweisen für Annes hei m liches Liebesleben. Er wühlte hinten in Regalen, auf d e m Boden von Wandschränken, in den untersten Regionen ihrer Wäschekommode, in Handtaschen, Koffern, Mantel- und Hosentaschen, i m Nachttisch, im Badezim m erschrank und in Küchenschubladen. Nichts. Langsam ging e n m i r die Ideen aus – was bei ihm schon lange der Fall war. Nur m eine Unnachgiebig k eit trieb ihn noch weiter voran. Aber er fing an, sich zu wehren. Er wollte an einen Irrtum glauben, daran, dass sein Verdacht nur auf eine von der Grippe und vom Fieber zu stark erhitzte Fantasie zurückzuführen war. U nd so versuchte er, die nagenden Zweifel, die ihn befallen hatten, zu verdrängen.
Was – natürlich – unmöglich war. W i r können einen Zweifel, wenn er erst ein m al gew e ckt ist, nicht so ohne weiteres ignorieren, ebenso wenig, wie wir uns selb s t vor m achen können, keine Schuldgefühle zu empfinden oder nicht abergläubisch zu sein. Zweifel gehören zu jenen zarten Gewächsen, die ganz ohne unser Zutun immer größer werden und jedem Versuch, sie auszurotten, zu vergiften oder auszureißen, erfolgreich widerstehen. Richard wusste, dass d i e Ergebnislosigkeit seiner Suche gar nichts bewies – außer m öglicherweise die Sorgfalt, m it der Anne ihre Affäre verbarg.
Oder ihre Affären, Plural! Ja ja, ich hatte ihn noch im m er f est im Gri ff . Sein kurzer Ausreißversuch wurde von der nagenden Stim m e der Eifersucht, die ihm überallhin f olgte, rasch im Keim er s tickt.
Der nächste Schritt in meinem Plan hieß: Über w achung. Wenn wir Anne, sagen wir, ein, zwei W ochen lang folgten und ihr Verhalten über jeden Verdacht erhaben fanden, dann wäre sogar ich bereit gewesen, besagtes Te lefonat in einem anderen Licht zu sehen. Natürlich glaubte ich nicht eine Sekunde daran, dass dies der Fall sein würde, aber die zeitliche Einschränkung half Richard über seine Skrupel hinweg, sich so tief herabzulassen und seiner Frau nachzuspio n i eren.
Eines stand allerdings für m i ch fes t : Er durf t e auf ke i nen Fall einen Privatdetektiv anheuern! W enn ich m eine Kontrolle über ihn behalten und ausbauen wollte, passte m i r ein außenstehender Mitwisser überhaupt nicht in den Kra m . Ich hatte bereits große Mühe, Richard davon abzuhalten, sich Harold anzuvertrauen – was m i r nur gelang, indem ich ihm einredete, er würde, sollte sich sein Verdacht als unbegründet erweisen, a m Ende nur wie ein Narr dastehen. Nein, nur wenn ich Richard ganz allein für m i ch hatte, konnte ich das erreichen, was ich m i r vorgenommen hatte.
Also begann Richard, Detektiv zu spielen. Er war m it einer er s chreckend sc hw achen Fa n t asie ausge s tattet, aber es gelang m i r erneut, ihn so zu leiten, dass er einen halbwegs ordentlichen Plan entwa rf . Natürlich war eine Rund-u m -die-Uhr-Beschattung alleine un m öglich, auch wenn Anne bereits gut zwölf Stunden am Tag in unserer Gegenwart verbrachte. Der Trick bestand darin, in beiläufigen Gesprächen und m ithilfe eines gelegentlichen hei m lichen Blickes in ihr e n Ter m i nkalender herauszu- finden, wo sie sich zu ganz bestim m t en Tageszeiten aufhielt – also entweder b e i ihren endlosen Treffen und Vorstandssitzungen, im Fitness c enter oder in Restaurants. Dann galt es dort anzuruf e n und eine unverdächtige Nachric h t zu hinterlas s en oder sich beispiel sw eise m it einem Bekannten auf
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