Leviathan - Die geheime Mission
er schließlich hervor. »Zuerst haben sie es mit Bomben und Pistolen versucht, damit es aussah, als wären serbische Anarchisten am Werk gewesen. Aber am Ende nahmen sie Gift.«
»Und nur um diesen Krieg anzuzetteln?«
Er nickte. »Die Deutschen dachten, dieser Krieg würde zwangsläufig kommen. Es sei nur eine Frage der Zeit, und je früher, desto günstiger schien es für sie zu sein.«
Deryn wollte antworten, das klinge ja völlig verrückt, als ihr einfiel, wie sehr sich die Besatzung der Leviathan für das Gefecht begeistert hatte. Vermutlich gab es immer ein paar Vollidioten, die auf einen Kampf brannten.
Dennoch ergab es keinen Sinn. »Deine Familie herrscht doch über Österreich, nicht wahr?«
»Seit ungefähr fünfhundert Jahren, ja.«
»Wenn die Deutschen also deinen Dad umgebracht haben, warum hilft Österreich ihnen, anstatt dem deutschen Kaiser einen ordentlichen Tritt in den Hintern zu verpassen? Weiß deine Familie nicht, was tatsächlich passiert ist?«
»Sie weiß es oder zumindest wird sie es vermuten. Aber mein Vater war beim Rest der Familie nicht besonders beliebt.«
»Pusteln und Karbunkel, was hat er denn angestellt?«
»Er hat meine Mutter geheiratet.«
Deryn zog eine Augenbraue hoch. Sie hatte schon viele Familienstreitigkeiten gesehen, die um Hochzeiten entbrannt waren, aber für gewöhnlich endeten die nicht mit Bombenattentaten.
»Und haben deine Verwandten vielleicht komplett den Verstand verloren?«
»Nein. Wir regieren doch über ein Reich.«
Deryn fand, das eine schließe das andere nicht aus, behielt es aber für sich. Wenn Alek darüber redete, bekam er sich sichtlich wieder in den Griff, deshalb fragte sie: »Was war denn so schlimm an ihr?«
»Meine Mutter stammte nicht aus einem Herrschergeschlecht. Sie war zwar keine richtige Bürgerliche, entschuldige – sie hatte eine Prinzessin unter ihren Vorfahren. Aber um bei den Habsburgern einzuheiraten, muss man schon von königlicher Abkunft sein.«
»Ja, klar«, sagte Deryn. Plötzlich ergab auch Aleks überlegenes Gehabe viel mehr Sinn. Vermutlich war der Junge jetzt nach dem Tod seines Vaters selbst ein Herzog – oder Erzherzog, was ja noch hochmütiger klang. Ob sie ihn jetzt siezen musste? Aber solange er es nicht ausdrücklich verlangte …
»Als sie sich verliebt haben«, erzählte Alek leise, »mussten sie es geheim halten.«
»Mann, das nenne ich Romantik«, rief Deryn. Als Alek sie eigenartig ansah, senkte sie die Stimme und fügte hinzu: »Na ja, wegen der Heimlichtuerei.«
Auf seinem Gesicht zeigte sich so etwas Ähnliches wie ein Lächeln. »Ja, ich schätze, so war es, und meine Mutter hat es mir auch so erzählt. Sie war Hofdame bei Prinzessin Isabella von Croÿ. Als mein Vater sie häufiger besuchte, dachte Isabella, er mache einer ihrer Töchter den Hof. Aber sie fand nie heraus, welche er nun eigentlich mochte. Eines Tages ließ er seine Taschenuhr auf dem Tennisplatz liegen.«
Deryn schnaubte. »Aye. Zu Hause habe ich meine Uhr auch immer auf dem Tennisplatz liegen gelassen.«
Alek verdrehte die Augen, fuhr jedoch fort: »Isabella öffnete die Uhr und hoffte, darin das Bild einer ihrer Töchter zu finden.«
Deryn riss die Augen auf. »Stattdessen entdeckte sie das Bild deiner Mutter?«
Alek nickte. »Isabella war ausgesprochen verärgert. Sie entließ meine Mutter aus ihren Diensten.«
»Das ist aber hart«, sagte Deryn. »Die Arbeit zu verlieren, nur weil irgendein Herzog in dich verliebt ist!«
»Ihre ›Arbeit‹ zu verlieren, war noch das kleinste Problem. Mein Großonkel, der Kaiser, verweigerte seine Zustimmung zu der Heirat. Er sprach sogar ein Jahr lang nicht mit meinem Vater. Das ganze Reich wurde erschüttert. Der deutsche Kaiser, der Zar und sogar der Heilige Vater versuchten zu vermitteln.«
Deryn zog die Augenbrauen hoch und fragte sich erneut, ob Alek zu heiß gebadet hatte oder einfach nur wirr daherredete. Hatte er gerade behauptet, der
Papst habe sich in seine Familienangelegenheiten eingemischt?
»Schließlich gelangten sie zu einem Kompromiss – eine Ehe zur linken Hand.«
»Was zum Teufel soll das sein?«, fragte sie.
Alek wischte sich die Tränen aus den Augen. »Sie konnten heiraten, doch die Kinder würden nichts erben. Soweit es meinen Großonkel betrifft, existiere ich gar nicht.«
»Du bist also kein Erzherzog oder so?«
Er schüttelte den Kopf. »Nur ein Fürst.«
»Nur ein Fürst? Pusteln und Karbunkel, das ist hart.«
Alek wandte sich zu ihr um und
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