Leviathan - Die geheime Mission
seit dreißig Sekunden.«
»Sie haben gedreht und folgen uns«, sagte Volger. »Warten Sie nur, bis deren Kundschafter uns entdecken. Dann dreht sich das Schiff wieder und wir bekommen die nächste Breitseite.«
Alek blickte sich um und wollte etwas sagen, doch er wurde von einer stillen Panik überwältigt, und die Welt vor seinen Augen verschwamm in Tränen. Der Angriff hatte die letzten Zweifel beseitigt.
Sein Vater war tot und seine Mutter war es ebenfalls. Er hatte beide für immer verloren.
Seine Durchlaucht Prinz Aleksandar von Hohenberg war nun allein. Vielleicht würde er seine Heimat nie wiedersehen. Die Streitmächte zweier Reiche jagten ihn und er hatte nur einen Läufer und vier Mann auf seiner Seite.
Volger und Klopp schwiegen, und als Alek sich umdrehte, sah er, wie sich seine Verzweiflung in ihren Gesichtern spiegelte. Er umklammerte die Armlehnen des Kommandantenstuhls und rang nach Atem.
Sein Vater hätte gewusst, was es in einer solchen Situation zu sagen galt: eine kurze, kraftstrotzende Rede, in der die Männer für ihre Anstrengungen gelobt und zum Durchhalten angespornt wurden. Aber Alek konnte nur in den Wald starren und die Tränen aus den Augen laufen
lassen. Wenn er nichts sagte, würde ihn die Leere verschlingen.
Aus den Bäumen vor ihnen war Gewehrfeuer durch das Knirschen der Maschinen zu hören. Der Läufer schlug einen neuen Kurs ein und Graf Volger sprang wieder auf.
»Berittene Kundschafter, schätze ich!«, sagte Meister Klopp. »Auf der Beowulf gibt es Ställe.«
Eine Salve Kugeln prasselte gegen das Visier des Sturmläufers, lauter als Erde und Steine zuvor. Alek stellte sich vor, wie die Metallprojektile die Panzerung durchschlugen und ihn trafen, und erneut klopfte sein Herz heftig.
Diese entsetzliche Leere ließ ein wenig nach …
Ein gewaltiges Krachen ließ den Läufer wanken und eine Rauchwolke stieg vor den Sehschlitzen auf. Der stickige Gestank wallte in die Kanzel. Einen Moment lang glaubte Alek, sie seien getroffen worden, doch dann antwortete aus der Ferne eine Explosion, auf die das Knacken von Holz und das verängstigte Wiehern von Pferden folgten.
»Das waren wir!«, murmelte er. Die Männer unten hatten die Kanone des Sturmläufers abgefeuert.
Während die Echos erstarben, rief Volger: »Wissen Sie, wie man ein Spandau-Maschinengewehr lädt, Alek?«
Prinz Aleksandar hatte von solchen Dingen keine Ahnung, aber er löste bereits seine Sitzgurte.
7. KAPITEL
Sie wollten Deryn gerade herunterholen, als der Sturm losging.
Dem Bodenpersonal war der düstere Himmel aufgefallen. Man lief los, sicherte das Hangarzelt mit zusätzlichen Heringen und brachte die Rekruten unter ein Dach. Vier Männer standen an der Aufsteiger-Winde und zogen Deryn gleichmäßig in raschem Tempo nach unten. Ein Dutzend weitere Männer hielt sich bereit, um die Tentakel zu ergreifen, sobald das Tier weit genug heruntergekommen wäre.
Deryn befand sich noch in fünfhundert Fuß Höhe, als der erste Schauer auf sie niederging. Die kalten Tropfen fielen so schräg, dass sie ihre baumelnden Füße trafen, obwohl sie ja eigentlich unter dem Flugtier saß. Dessen Tentakel verschlangen sich immer fester, und sie fragte sich, wie lange die Meduse das Prasseln ertragen würde, ehe sie den Wasserstoff ausstieß und sich zu Boden fallen ließ.
»Ganz ruhig bleiben, Tierchen«, sagte Deryn leise. »Die holen uns schon nach unten.«
Eine heftige Böe traf den Luftsack der Meduse und
wölbte ihn auf wie ein Segel. Deryn schwang hinaus in den Sturm, und ohne den Schutz von oben war ihre Jungenkleidung innerhalb von Sekunden vom eisigen Regen durchnässt.
Dann spannte sich das Seil, und das Tier wurde nach unten gezogen wie ein Drachen, der nicht genug Leine hat. Es fiel hinab auf Häuser und Gärten zu, bis hinunter auf die Höhe der Gefängnisgebäude. Direkt unter Deryn huschten Menschen die nassen Straßen entlang, zogen die Köpfe ein und bemerkten das Ungeheuer über ihnen deshalb gar nicht.
Der nächste Windstoß drückte den Huxley so weit nach unten, dass Deryn die Gerippe der Regenschirme erkennen konnte.
»Ach, Tierchen. Das ist überhaupt nicht gut.«
Die Meduse schwoll an, versuchte wieder aufzusteigen und fing sich ein paar Dutzend Fuß über den Dächern ab. Das Seil spannte sich einen Moment lang gegen den Wind und wurde erneut locker. Das Bodenpersonal gab ihnen Leine, erkannte Deryn, damit sie wieder in die Höhe kamen, so wie ein Angler, der seinen Fang am Haken behalten
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