Leviathan erwacht - Corey, J: Leviathan erwacht - Leviathan Wakes (The Expanse Series Book 1)
zu wirken, je nachdem, was aussichtsreicher schien.
Auf dem ganzen Deck war kein Mensch. Die Luftschleuse, das Lager für den Druckanzug, wo sie die letzten acht Tage verbracht hatte, ein halbes Dutzend weiterer Räume. Alle leer. Sie schnappte sich eine große magnetisierte Rohrzange, die gut geeignet war, um sogar in Raumanzügen steckende Schädel zu zertrümmern, und stieg die Leiter zum nächsten Deck hinab.
Dann eines tiefer und schließlich noch weiter hinunter. Sie fand Kabinen, die perfekt und beinahe militärisch in Ordnung gehalten waren. Die Messe, in der es keine Kampfspuren gab. Die Sanitätsstation, ebenfalls verlassen. Der Torpedoraum. Niemand da. Die Funkstation war nicht besetzt, abgeschaltet und verschlossen. Die paar Sensoren, die noch Daten lieferten, zeigten keine Spur von der Scopuli . Eine neue Furcht lag ihr wie ein Stein im Bauch. Deck um Deck und Raum auf Raum waren bar jeden Lebens. Irgendetwas war passiert. Vielleicht ein Strahlungsleck oder Gift in der Luft. Irgendetwas, das eine Evakuierung erzwungen hatte. Sie fragte sich, ob sie das Schiff allein fliegen konnte.
Aber wenn die anderen das Schiff aufgegeben hatten, dann hätte sie doch hören müssen, wie sie es durch die Luftschleuse verlassen hatten.
Sie erreichte das Schott des letzten Decks, auf dem sich der Maschinenraum befand. Als sich die Luke nicht automatisch öffnete, hielt sie inne. Ein rotes Licht auf der Schalttafel verriet ihr, dass der Raum von innen versiegelt worden war. Wieder dachte sie über Strahlung und größere Störungen nach. Doch welchen Sinn hätte es gehabt, in einem solchen Fall den Maschinenraum von innen zu verschließen? Außerdem war sie an zahlreichen Anzeigetafeln vorbeigekommen und hatte auf keiner einzigen blinkende Warnlichter entdeckt. Nein, Strahlung schied aus. Es musste etwas anderes sein.
Hier herrschte mehr Unordnung. Blut. Werkzeug und Behälter waren wild durcheinandergeworfen. Was auch passiert war, es hatte sich hier ereignet. Nein, es hatte hier begonnen und hinter jener verschlossenen Tür geendet.
Sie brauchte zwei Stunden mit Schweißbrenner und Brechstange, um den Zugang zum Maschinenraum zu knacken. Da sie dabei zwangsläufig die Hydraulik zerstörte, musste sie anschließend das Schott von Hand aufschieben. Ein Schwall warmer Luft wehte ihr entgegen, der nach Krankenhaus roch, aber ohne Desinfektionsmittel. Ein kupferner, Übelkeit erregender Geruch. Eine Folterkammer also. Ihre Freunde waren sicher dort drinnen, zusammengeschlagen oder in Stücke geschnitten. Julie hob die Zange und bereitete sich darauf vor, wenigstens noch einen Schädel zu zertrümmern, ehe die anderen sie töteten. Sie schwebte hinüber.
Der Maschinenraum war riesig und hatte eine gewölbte Decke wie eine Kathedrale. Der Fusionsreaktor nahm das Zentrum ein. Dort stimmte etwas nicht. Wo sie erwartet hatte, Anzeigen, Abschirmungen und Monitore zu sehen, floss etwas über den Reaktorkern, das ihr vorkam wie eine Schicht Schlamm. Langsam schwebte Julie hinüber, hielt sich aber noch mit einer Hand an der Leiter fest. Der seltsame Geruch wurde stärker.
So etwas wie den Schlamm, der um den Reaktor festgebacken war, hatte sie noch nie gesehen. Durch die Masse zogen sich Schläuche, die an Adern oder Luftröhren erinnerten. Einige Teile pulsierten. Also war es kein Schlamm.
Es lebte.
Ein Auswuchs des Dings drehte sich zu ihr herum. Verglichen mit den Ausmaßen der Masse war es nicht größer als eine Zehe oder ein kleiner Finger. Es war Kapitän Darrens Kopf.
»Hilf mir«, sagte er.
1 Holden
Hundertfünfzig Jahre früher, als der engstirnige Konflikt zwischen Erde und Mars fast zu einem Krieg ausgeartet wäre, hatte sich der Asteroidengürtel weit entfernt am Horizont befunden. Er hatte einen ungeheuren Schatz an Mineralien geborgen, der allerdings nicht wirtschaftlich zu heben gewesen war, und die äußeren Planeten waren nicht einmal in den Träumen der genialsten Strategen der großen Firmen vorgekommen. Dann hatte Solomon Epstein einen leicht veränderten Fusionsantrieb konstruiert, auf seine Dreimannjacht gepflanzt und ihn eingeschaltet. Mit einem guten Teleskop konnte man sein Schiff immer noch mit einem Bruchteil der Lichtgeschwindigkeit in die große Leere fliegen sehen. Die beste und längste Beerdigung in der Geschichte der Menschheit. Glücklicherweise hatte er die Pläne daheim in seinem Computer hinterlassen. Der Epsteinantrieb hatte der Menschheit zwar nicht die Sterne geschenkt, ihr
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