Leviathan erwacht - Corey, J: Leviathan erwacht - Leviathan Wakes (The Expanse Series Book 1)
Nachgeschmack von schimmeligem Brot –, doch er schlief nicht ein. Immer und immer wieder legte ihm McDowell eine Hand auf den Arm und rief ihn. Becca lachte und fluchte wie ein Seemann. Cameron brüstete sich mit seiner Geschicklichkeit beim Umgang mit dem Eis.
Ade keuchte.
Holden war neunmal mit der Canterbury zwischen Ceres und Saturn geflogen. Zwei Hin- und Rückflüge pro Jahr, fast fünf Jahre lang. Die meisten Mannschaftsmitglieder waren ebenso lange dabei gewesen wie er. Ein Posten auf der Canterbury war eigentlich ein mieser Job, denn er bedeutete, dass man nichts anderes finden konnte. Also blieben die Leute und betrachteten das Schiff als ihr Heim. Nach den regelmäßigen Versetzungen in der Raummarine hatte er die Stabilität genossen. Auch er hatte sich häuslich eingerichtet. Im Traum sagte McDowell etwas, das er nicht genau verstehen konnte. Die Canterbury stöhnte wie unter starkem Schub.
Ade lächelte und zwinkerte ihm zu.
Der schlimmste Krampf in der Geschichte der Menschheit begann im Bein und breitete sich schlagartig im ganzen Körper aus. Holden biss auf den Mundschutz aus Gummi und schrie. Die Schmerzen blendeten alles andere aus, was er beinahe als Erleichterung empfand. Sein Bewusstsein schaltete sich ab, weil die Signale des Körpers übermächtig wurden. Glücklicherweise setzte die Wirkung des Medikaments ein, und die Muskeln entspannten sich wieder. Seine Nerven kreischten nicht mehr, das Bewusstsein kehrte zurück wie ein lustloser Schuljunge. Ihm taten die Kiefer weh, als er den Mundschutz herausnahm. Die Zähne hatten Bissspuren im Gummi hinterlassen.
Im gedämpften blauen Licht der Kabine dachte er über die Sorte Menschen nach, die auf Befehl ein ziviles Raumschiff in die Luft jagten.
In der Raummarine hatte er einige Dinge getan, die ihn nachts nicht schlafen ließen. Er hatte Befehle ausgeführt, mit denen er ganz und gar nicht einverstanden gewesen war. Doch ein ziviles Schiff mit fünfzig Menschen an Bord anpeilen und auf den Knopf drücken, der sechs Atomraketen zündete? Er hätte sich geweigert, und wenn sein vorgesetzter Offizier darauf bestanden hätte, dann hätte er dies als illegalen Befehl bezeichnet und verlangt, dass der Executive Officer das Kommando übernahm und den Kapitän verhaftete. Sie hätten ihn erschießen müssen, um ihn von der Waffenkontrolle zu entfernen.
Allerdings hatte er auch Leute gekannt, die so einen Befehl ausgeführt hätten. Er sagte sich, sie seien Soziopathen und Tiere, nicht besser als die Piraten, die Schiffe erbeuteten und enterten, die Maschine herausrissen und die Luft stahlen. Sie waren keine Menschen.
Doch während er seinen Hass hegte und sich vom Medikament benebelt einer nihilistischen Wut hingab, musste er einsehen, dass die Angreifer sicherlich keine Idioten gewesen waren. Der Gedanke, der ihn nicht losließ, war dieser: Warum? Was hat jemand davon, einen Eisfrachter in die Luft zu jagen? Wer wird für so etwas bezahlt? Denn irgendjemand wird immer bezahlt.
Ich werde dich finden. Ich finde dich und töte dich. Aber bevor ich das tue, musst du es mir erklären.
Die zweite Welle an Medikamenten explodierte in seinem Blutkreislauf. Ihm war heiß, er war matt, durch die Adern lief Sirup. Kurz bevor die Tabletten ihn endlich ausknipsten, lächelte und zwinkerte Ade ihm zu.
Dann zerfiel sie zu Staub.
Der Schiffscom weckte ihn piepsend, Naomi meldete sich. »Jim, die Antwort von P & K ist eingetroffen. Soll ich sie Ihnen runterschicken?«
Holden hatte Mühe, die Worte zu verstehen. Er blinzelte. Mit seiner Koje stimmte etwas nicht. Mit dem ganzen Schiff stimmte etwas nicht. Langsam setzte die Erinnerung wieder ein.
»Jim?«
»Nein«, antwortete er. »Ich will sie oben in der Zentrale zusammen mit Ihnen ansehen. Wie lange war ich weg?«
»Drei Stunden«, sagte sie.
»Jesus. Die haben sich aber Zeit gelassen, was?«
Holden rollte sich von der Liege herunter und wischte sich die klebrige Kruste aus den Wimpern. Im Schlaf hatte er geweint. Er sagte sich, es liege an den Nachwirkungen des Safts. Der Schmerz in der Brust war auf überdehnte Knorpel zurückzuführen.
Was habt ihr drei Stunden lang getan, ehe ihr uns zurückgerufen habt?, überlegte er.
Naomi erwartete ihn an der Comstation. Vor ihr auf dem Bildschirm war das Gesicht eines Mannes mitten im Wort erstarrt. Er kam ihm bekannt vor.
»Das ist nicht der Disponent.«
»Nein. Es ist der Justiziar von P & K auf der Saturnstation. Derjenige, der nach der Aufklärung
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