Leviathan erwacht - Corey, J: Leviathan erwacht - Leviathan Wakes (The Expanse Series Book 1)
Flaggschiff erledigt hatten, galten als Helden und Märtyrer. Sprüche wie Wir haben es einmal getan und können es wieder tun und Wirf ein paar Felsen tauchten sogar in vermeintlich völlig unschuldigen Zusammenhängen auf.
Die Canterbury hatte den Gürtel aus dem alten Trott gerissen. Die Zerstörung der Donnager zog etwas viel Schlimmeres nach sich. Sie nahm ihnen die Angst. Die Gürtler hatten einen plötzlichen, entscheidenden und unerwarteten Sieg errungen. Auf einmal schien alles möglich zu sein, und die Hoffnung verführte sie.
Miller hätte es mit der Angst bekommen, wenn er nüchtern gewesen wäre.
Der Wecker bemühte sich schon seit zehn Minuten. Das nervtötende Summen bekam Ober- und Untertöne, wenn Miller lange genug zuhörte. Der Lärm wurde schriller, ein Schlagzeug setzte ein, hinter dem Geblöke glaubte der Detective sogar leise Musik zu vernehmen. Illusionen. Akustische Halluzinationen. Die Stimme des Wirbelwindes.
Die Flasche mit Bourbonimitat aus Pilzen stand auf dem Nachttisch, wo sich gewöhnlich eine Karaffe mit Wasser befand. Ein paar Fingerbreit Schnaps waren noch übrig. Miller betrachtete die goldbraune Flüssigkeit und überlegte, wie sie sich auf der Zunge anfühlen mochte.
Das Schöne daran, die Illusionen zu verlieren, war die Tatsache, dass man aufhören konnte, sich etwas vorzumachen. All die Jahre hatte er sich eingeredet, man achte ihn, er sei gut in seinem Beruf, und er habe die Opfer aus einem guten Grund erbracht. All dies fiel nun von ihm ab, und zurück blieb nur das klare, unverstellte Wissen, dass er ein funktionierender Alkoholiker war, der alles Gute aus seinem Leben verbannt hatte, um Platz für ein Betäubungsmittel zu schaffen. Shaddid hielt ihn für eine Witzfigur. Muss hielt ihn für den Preis, den sie zahlen musste, um nicht mit jemandem schlafen zu müssen, den sie nicht mochte. Der Einzige, der ihn vielleicht einmal respektiert hatte, war Havelock, ein Erder. In gewisser Weise konnte er mit alledem sogar Frieden schließen. Er konnte aufhören, sich zu verstellen. Wenn er im Bett blieb und dem Wecksignal lauschte, erfüllte er einfach die Erwartungen der anderen. Dafür brauchte man sich nicht zu schämen.
Trotzdem, es gab Arbeit, um die er sich kümmern musste. Er streckte den Arm aus und schaltete den Wecker ab. Kurz bevor das Geräusch abbrach, hörte er im Hintergrund eine leise, aber beharrliche Frauenstimme. Was sie sagte, konnte er nicht verstehen, aber da sie sich sowieso nur in seinem Kopf befand, würde sie später noch eine weitere Gelegenheit bekommen.
Er stand mühsam auf und schluckte ein paar Schmerztabletten und eine Paste, um den Flüssigkeitsverlust auszugleichen, stakste zur Dusche und verbrauchte anderthalb Tagesrationen heißes Wasser, während er einfach nur dort stand und zusah, wie die Beine rosa anliefen. Dann zog er die letzte Garnitur sauberer Kleidung an. Das Frühstück bestand aus einem Riegel gepresster Hefe mit Traubenzucker. Die Flasche Bourbon nahm er vom Nachttisch und warf sie in den Recycler, ohne sie auszutrinken, einfach nur, um sich zu beweisen, dass er es konnte.
Muss saß bereits am Schreibtisch und blickte auf, als er kam.
»Ich warte auf den Laborbericht zu der Vergewaltigung in Sektor Achtzehn«, sagte sie. »Bis Mittag soll er angeblich da sein.«
»Wir werden sehen«, antwortete Miller.
»Ich habe auch eine mögliche Zeugin. Ein Mädchen, das früher an dem Abend mit dem Opfer zusammen war. Sie sagt aus, sie sei gegangen, bevor irgendetwas passiert sei, doch die Überwachungskameras bestätigen die Aussage nicht.«
»Soll ich an dem Verhör teilnehmen?«, fragte Miller.
»Noch nicht, aber wenn ich einen bösen Cop brauche, rufe ich Sie.«
»In Ordnung.«
Miller sah ihr nicht nach, als sie ging. Nachdem er eine Weile ins Leere gestarrt hatte, öffnete er seine Partition, informierte sich, was noch zu tun war, und räumte auf.
Während er arbeitete, ging er zum millionsten Mal das zähe, erniedrigende Gespräch mit Shaddid und Dawes durch. Wir haben Holden, hatte Dawes gesagt. Sie können nicht einmal herausfinden, was mit Ihrer eigenen Krawallausrüstung passiert ist. Miller bohrte in den Worten herum wie eine Zunge in einer Zahnlücke. Sie klangen wahr. Immer noch.
Trotzdem war es möglich, dass der Mann ihn verladen hatte. Möglicherweise hatte er sich nur eine Geschichte ausgedacht, um Miller zu demütigen. Schließlich gab es keinerlei Beweise dafür, dass Holden und seine Crew überlebt hatten.
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