Leviathan erwacht - Corey, J: Leviathan erwacht - Leviathan Wakes (The Expanse Series Book 1)
Sie trugen AAP-Armbänder. Die Jungs redeten mit lauten, zornigen Stimmen über Tyrannei und Freiheit, und die Mädchen beobachteten die posierenden Jungs. Die alte Geschichte, das alte Tier. Es war immer das Gleiche, ob es sich auf einem Fels abspielte, der im Vakuum rotierte, oder in den briefmarkengroßen Reservaten für Schimpansen auf der Erde. Auch im Gürtel fühlten sich die Jungen unverwundbar und unsterblich und waren fest davon überzeugt, von nun an liefe alles ganz anders. Die Gesetze der Physik ließen eine Ausnahme zu, die Raketen träfen nicht, die Luft entwiche nicht ins Nichts. Es erwischte immer nur die anderen – die zusammengeflickten Kampfschiffe der AAP, die Wassertransporter, die marsianischen Kanonenboote, die Scopuli , die Canterbury , die Donnager . Hunderte anderer Schiffe, die bei kleinen Scharmützeln, seit sich das System in ein Schlachtfeld verwandelt hatte, untergegangen waren. Aber einen selbst traf es nie. Und selbst wenn er der Jugend zugestand, dass sie manchmal das Glück hatte, den eigenen Optimismus zu überleben, so empfand Miller doch nur ein wenig Angst, ein wenig Neid und das überwältigende Gefühl, das Leben sei unendlich zerbrechlich. Andererseits hatte er noch drei Monatsgehälter auf dem Konto und viel freie Zeit, und der Kaffee war nicht schlecht.
»Möchten Sie noch etwas, Sir?«, fragte der Kellner. Er war kaum älter als die Jungs auf der Wiese. Miller schüttelte den Kopf.
Fünf Tage waren vergangen, seit Star Helix ihm gekündigt hatte. Der Gouverneur von Ceres war verschwunden, mit einem Transporter hinausgeschmuggelt, ehe die Neuigkeit offiziell die Runde gemacht hatte. Die Allianz der äußeren Planeten hatte Ceres für sich beansprucht, und niemand hatte Einwände erhoben. Am ersten Tag nach der Entlassung hatte Miller sich betrunken, doch das hatte sich angefühlt wie ein altes, leeres Ritual. Aus reiner Gewohnheit hatte er ins Glas geschaut, und weil man das eben tat, wenn man den Job verlor, der das ganze Leben bestimmt hatte.
Am zweiten Tag hatte er den Kater auskuriert. Am dritten Tag war es ihm langweilig geworden. Überall auf der Station zeigten sich demonstrativ die Sicherheitskräfte, wie er es erwartet hatte. Sie wollten von vornherein jede Art von Unruhe unterdrücken. Die wenigen politischen Versammlungen und Proteste fanden ein jähes, unwirsches Ende, was den meisten Bewohnern von Ceres herzlich gleichgültig war. Ihre Blicke waren auf die Monitore gerichtet, auf den Krieg. Ein paar Einwohner, die mit blutigen Köpfen ohne Anklage ins Gefängnis wanderten, das war nicht weiter wichtig. Mit alledem hatte Miller nun nichts mehr zu tun.
Am vierten Tag hatte er sein Terminal überprüft und festgestellt, dass achtzig Prozent seiner Abfragen beantwortet worden waren, bevor Shaddid ihm den Zugang gesperrt hatte. Mehr als tausend Eintragungen, und jede konnte eine Spur sein, die zu Julie Mao führte. Bisher waren noch keine marsianischen Atomsprengköpfe unterwegs, um Ceres zu zerlegen. Keine Forderungen zu kapitulieren. Keine Entermannschaften. Das konnte sich jederzeit ändern, aber solange dies nicht geschah, trank Miller Kaffee und ging die Schiffsdaten durch, ungefähr fünfzehn Minuten pro Eintrag. Falls Holden das letzte Schiff auf der Liste benutzt hatte, würde er ihn in ungefähr sechs Wochen finden.
Die Adrianopolus , das Schiff einer Prospektorenfamilie in der dritten Generation, hatte innerhalb der passenden Zeitspanne auf Pallas angedockt. Miller überprüfte die zugänglichen Registraturdaten und stellte frustriert fest, wie wenig Informationen es hier im Gegensatz zu den Datenbanken der Sicherheitskräfte gab. Das Schiff gehörte Strego Anthony Abramowitz. Acht Verwarnungen wegen schlechter Wartung, Andockverbot auf Eros und Ceres, weil die Sicherheit des Hafens gefährdet sei. Ein Idiot, der jederzeit einen Unfall verursachen konnte. Der Flugplan war offenbar in Ordnung, und die Geschichte des Schiffs reichte weit genug zurück, um nicht nach einer kürzlich entworfenen Tarnung zu riechen. Miller löschte den Eintrag.
Die Badass Motherfucker war ein Frachter, der das Dreieck zwischen Luna, Ganymed und dem Gürtel bediente. Sie gehörte der MYOFB Corporation auf Luna. Die Abfrage der öffentlichen Datenbank auf Ganymed zeigte, dass sie den Hafen zur angegebenen Zeit verlassen und es sich einfach geschenkt hatte, einen Flugplan einzureichen. Miller tippte mit dem Fingernagel auf den Bildschirm. So würde er nicht fliegen, wenn
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