Leviathan erwacht - Corey, J: Leviathan erwacht - Leviathan Wakes (The Expanse Series Book 1)
war, und lehnte sich zurück, um die Antwort abzuwarten. Falls die Daten noch auf den Servern von Ceres zwischengespeichert waren, würde es höchstens ein oder zwei Minuten dauern. Das Programm rechnete jedoch mit anderthalb Stunden, also musste die Anfrage wohl doch erst zum Andocksystem in Pallas weitergeleitet werden. Die lokale Kopie hatte nichts enthalten.
Miller strich sich über das Kinn. Fünf unrasierte Tage, der Anflug eines Barts. Er lächelte und suchte nach der Bedeutung des Worts Rosinante . Wörtlich bedeutete es: »Nicht länger ein Arbeitspferd«. Als erster Eintrag kam der Name von Don Quichottes Pferd heraus.
»Bist du das, Holden?«, fragte Miller den Bildschirm. »Willst du gegen Windmühlen kämpfen?«
»Sir?«, fragte der Kellner, doch Miller verscheuchte ihn mit einer Geste.
Es gab noch Hunderte Eintragungen, die er sich ansehen musste, und einige Dutzend in dem Ordner, den er ein zweites Mal überprüfen wollte. Miller ignorierte sie alle und starrte die Daten von Tycho an, als könne er den Bildschirm mit seiner bloßen Willenskraft dazu zwingen, mehr Informationen preiszugeben. Schließlich holte er die Nachricht von Havelock hervor, drückte auf den Antwort-Knopf und blickte in die winzige Kamera des Terminals.
»Hallo, Partner«, sagte er. »Danke für das Angebot. Vielleicht komme ich tatsächlich darauf zurück, aber ich habe hier noch ein paar Knäuel aufzulösen, ehe ich mich in Bewegung setze. Du weißt ja, wie das ist. Aber wenn du mir einen Gefallen tun könntest … ich überprüfe gerade ein Schiff und habe hier nur die öffentlichen Datenbanken, und außerdem könnte sich Ceres jetzt schon mit Mars im Krieg befinden. Wer weiß? Jedenfalls … könntest du für mich die Flugpläne prüfen und mir Bescheid sagen, wenn etwas Interessantes dabei ist? Ich geb dir bei Gelegenheit mal einen aus.«
Er hielt inne. Es musste doch noch mehr geben, was er sagen konnte.
»Pass auf dich auf, Partner.«
Er sah sich die Nachricht noch einmal an. Auf dem Bildschirm wirkte er müde, das Lächeln war nicht ganz echt, die Stimme war eine Spur höher als vermutet. Doch er hatte gesagt, was er hatte sagen wollen, und schickte die Nachricht ab.
Ihm blieben nicht mehr viele Möglichkeiten. Der offizielle Zugang zu den Daten war gesperrt, die Dienstwaffe war eingezogen, in seinem Wohnloch lagerten allerdings noch zwei unterschlagene Reservewaffen, und ihm ging das Geld aus. Er musste sich nach der Decke strecken und um Dinge bitten, die eigentlich Routine gewesen wären, und für jedes bisschen das System überlisten. Er war ein Cop gewesen, sie hatten ihn in eine Maus verwandelt. Trotzdem, dachte er, als er sich zurücklehnte. Für eine Maus ist das ein ordentliches Stück Arbeit.
In Drehrichtung ertönte eine Explosion, dann waren zornige laute Stimmen zu hören. Die Jugendlichen auf der Wiese hörten mit ihren Imponierspielchen auf und starrten die Quelle der Geräusche an. Miller stand auf. Rauch war zu sehen, aber keine Flammen. Der Luftzug wurde stärker, als die Luftaufbereiter der Station den Durchsatz erhöhten, um Schwebeteilchen abzusaugen. Also waren die Sensoren nicht der Ansicht, ein Brand könne um sich greifen. Rasch nacheinander ertönten drei Schüsse, und die Stimmen fanden zusammen und gaben einen Singsang von sich. Die Worte konnte Miller nicht verstehen, doch der Rhythmus sagte ihm alles, was er wissen musste. Keine Katastrophe, kein Feuer, kein Hüllenbruch. Einfach nur ein Aufstand.
Die Jugendlichen wanderten in die Richtung der Unruhe. Miller hielt ein Mädchen am Ellbogen fest. Sie war höchstens sechzehn, die Augen waren fast schwarz, das Gesicht herzförmig.
»Geh da nicht rüber«, sagte er. »Ruf deine Freunde zusammen, und verschwinde in die andere Richtung.«
Das Mädchen sah ihn an, dann seine Hand auf seinem Arm, dann den Tumult in der Ferne.
»Du kannst nicht helfen«, sagte er.
»Aber man muss es doch versuchen, oder?«, antwortete sie. »Podrìa intentar.« Du könntest es auch.
»Das habe ich gerade getan.« Miller steckte das Terminal in die Tasche und entfernte sich. Hinter ihm gewann der Aufruhr an Lautstärke. Die Polizei würde ihn sicher in den Griff bekommen.
Innerhalb der nächsten vierzehn Stunden meldete das Systemnetz fünf Aufstände auf der Station und kleinere Gebäudeschäden. Jemand, von dem er noch nie gehört hatte, verhängte eine abgestufte Ausgangssperre. Wer sich mehr als zwei Stunden vor oder nach der regulären Arbeitszeit
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