Lewis, CS - Narnia 1
wie das die Pferdeknechte machen.
»Glaubst du denn noch immer, diesen Löwen könnte man mit dem Gewehr erlegen?« fragte Digory. »Die Eisenstange hat ihm offensichtlich nicht viel ausgemacht.«
»Welche Fehler sie auch immer haben mag–ein tollkühnes Weib ist diese Jadis«, sagte Onkel Andrew. »Das war allerhand, was sie da getan hat.« Er rieb sich die Hände und ließ die Knöchel knacken. Offensichtlich hatte er schon wieder vergessen, welche Angst ihm die Hexe jedesmal einjagte, wenn sie ihm nahe kam.
»Also, ich finde, sie hat sich gemein verhalten«, sagte Polly. »Er hatte ihr doch gar nichts getan!«
»Ach du lieber Gott! Was ist denn das?« rief da Digory.
Er rannte ein paar Schritte weiter und beugte sich nieder, um sich etwas anzuschauen. »Komm her, Polly, und sieh dir das an!«
Onkel Andrew kam ebenfalls hinterhergestapft, nicht weil er sehen wollte, was es da zu sehen gab, sondern weil er in der Nähe der Kinder bleiben wollte. Vielleicht ergab sich ja doch noch eine Gelegenheit, die Ringe zu stehlen.
Aber als er sah, was Digory da betrachtete, erwachte sogar bei ihm das Interesse. Da stand nämlich ein kleiner, kaum ein Meter hoher Laternenpfahl. Während sie zusahen, wuchs er immer höher. Gleichzeitig wurde er entsprechend kräftiger, genau wie zuvor die Bäume.
»Es ist eine richtige Laterne–und brennen tut sie auch!« rief Digory. Und tatsächlich. Hier, in der hellen Sonne, sah man natürlich kaum etwas von dem kleinen Flämmchen, höchstens dann, wenn ein Schatten auf die Laterne fiel.
»Erstaunlich, ausgesprochen erstaunlich«, brummelte Onkel Andrew. »Nicht einmal ich hätte mir träumen lassen, daß es einen derartigen Zauber gibt. Wir befinden uns in einer Welt, in der alles zum Leben erwacht und wächst sogar Laternen. Nur ist mir nicht klar, aus was für Samen Laternen entstehen.«
»Verstehst du denn nicht?« fragte Digory. »Hier ist die Eisenstange zu Boden gefallen, die Jadis in London vom Laternenpfahl abgerissen hat. Sie blieb in der Erde stecken, und jetzt wächst eine kleine, neue Laterne daraus hervor.« So klein war sie allerdings gar nicht mehr–inzwischen war sie schon genauso groß wie Digory.
»So muß es sein! Phantastisch, absolut phantastisch!«
Jetzt rieb sich Onkel Andrew die Hände noch kräftiger als sonst. »Ho, ho! Sie haben gelacht über meine Zauberei. Meine Schwester, diese Närrin, denkt, ich sei übergeschnappt. Was werden sie jetzt wohl sagen? Ich habe eine Welt entdeckt, wo alles vor Leben und Wachstum strotzt. Kolumbus, alle reden von Kolumbus. Aber was ist schon Amerika, verglichen mit dem hier? Die kommerziellen Möglichkeiten dieses Landes sind unermeßlich. Man braucht nur ein paar Eisenabfälle herzubringen, sie einzupflanzen, und schon wachsen funkelnagelneue Lokomotiven daraus hervor oder Schlachtschiffe oder was man eben haben will. Völlig kostenlos. Und in England kann ich dann alles zum vollen Preis verkaufen. Bald bin ich Millionär. Und dazu noch das Klima! Schon jetzt fühle ich mich um zwanzig Jahre jünger. Ich könnte ein Erholungszentrum eröffnen. Ein gutes Sanatorium in dieser Lage müßte jederzeit zwanzigtausend Pfund im Jahr einbringen. Natürlich werde ich ein paar Leute in das Geheimnis einweihen müssen. Aber als allererstes muß dieses Vieh erschossen werden!«
»Sie sind genauso schlimm wie die Hexe!« meinte Polly. »Sie denken nur ans Umbringen!«
»Und was mich selbst betrifft«, spann Onkel Andrew seinen glücklichen Traum weiter, »so ist gar nicht auszudenken, wie lange ich leben werde, wenn ich mich hier niederlasse. Und an so etwas muß man ja schließlich denken, wenn man über sechzig ist. Es sollte mich nicht wundern, wenn ich hier in dieser Welt keinen einzigen Tag älter werde! Phantastisch! Das Land der ewigen Jugend!«
»Oh!« rief Digory. »Das Land der ewigen Jugend? Glaubst du das wirklich?« Natürlich erinnerte er sich noch dran, was Tante Letty zu der Frau mit den Trauben gesagt hatte, und jetzt begann er von neuem Hoffnung zu schöpfen. »Onkel Andrew, meinst du, hier gibt es etwas, das meine Mutter gesund machen könnte?«
»Wie kommst du denn auf die Idee?« wollte Onkel Andrew wissen. »Wir sind doch nicht in der Apotheke hier. Aber wie ich eben sagte…«
»Meine Mutter interessiert dich also keinen Pfifferling!« sagte Digory wütend. »Dabei ist sie nicht nur meine Mutter, sondern auch deine Schwester! Na ja, was soll’s. Ich frage einfach den Löwen, ob er mir helfen kann.«
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