Lewis CS - Narnia 4
Pflicht ihm und König Kaspian gegenüber. Wenn ihr aber meine persönliche Meinung hören wollt, so muß ich sagen, ich als einfacher Zwerg verspreche mir nicht viel davon, nachts einen Weg dort zu suchen, wo man ihn am Tage schon nicht finden konnte. Außerdem kann ich mir nichts unter Zauberlöwen vorstellen, die Sprechende Löwen sein sollen und nicht sprechen, und unter freundlichen Löwen, die nichts Freundliches vollbringen, und unter großen, schweifschlagenden Löwen, die niemand sehen kann. Das sind, soweit ich es beurteilen kann, Hirngespinste.« »Er schlägt mit seiner Pranke den Boden, damit wir uns beeilen«, drängte Lucy. »Wir müssen sofort aufbrechen, jedenfalls ich.« »Du hast nicht das Recht, uns andern auf diese Weise zu zwingen. Wir sind vier zu eins, und du bist die Jüngste«, sagte Suse. »Oh, los doch«, brummte Edmund. »Wir müssen uns auf den Weg machen. Vorher haben wir doch keine Ruhe.« Er hatte zwar durchaus die Absicht, Lucy den Rücken zu stärken, aber er war verdrießlich, weil er nicht zu seinem Schlaf kam, und das machte er damit wett, daß er alles möglichst mürrisch tat. »Vorwärts denn«, sprach Peter, steckte müde seinen Arm in den Riemen des Schildes und setzte sich den Helm auf. Zu jeder anderen Zeit hätte er Lucy ein paar freundliche Worte gesagt, weil sie seine Lieblingsschwester war. Zudem ahnte er, wie elend sie sich fühlte, und sie trug, wie er wohl wußte, keine Schuld an dem, was geschehen war. Aber trotz alldem konnte er nicht umhin, sich etwas über sie zu ärgern. Suse war die ärgste. »Stellt euch vor, ich würde mich so benehmen wie Lucy«, sagte sie. »Wenn ich nun drohen würde hierzubleiben, einerlei, ob ihr anderen geht oder nicht? Das sollte ich wirklich tun.«
»Gehorcht dem König, Majestät«, bemerkte Trumpkin, »und laßt uns aufbrechen. Wenn ich schon nicht schlafen darf, so möchte ich lieber marschieren als hier herumstehen und reden.« So kam es endlich zum Aufbruch. Lucy ging als erste, biß sich auf die Lippen und versuchte zu unterdrücken, was sie am liebsten zu Suse gesagt hätte. Aber sie vergaß es, als sie ihre Augen auf Aslan richtete. Er wandte sich um und schritt langsam etwa dreißig Meter vor ihnen voraus. Die anderen mußten sich nach Lucys Weisungen richten, denn Aslan war für sie nicht nur unsichtbar, sondern auch nicht zu hören. Seine großen, katzenhaften Tatzen machten kein Geräusch auf dem Grasboden. Er führte sie auf die rechte Seite der tanzenden Bäume - keiner beobachtete, ob sie noch tanzten, denn Lucys Augen hingen am Löwen, und die übrigen blickten auf Lucy - und dann an den Rand der Schlucht. Kiesel und Kesselstein! dachte Trumpkin. Hoffentlich endet diese Verrücktheit nicht mit einer Kletterei im Mondschein und gebrochenen Hälsen. Eine lange Zeit schritt Aslan hoch am Rand des Abgrundes entlang. Dann kamen sie an eine Stelle, wo einige kleine Bäume am Abhang wuchsen. Aslan verschwand zwischen ihnen. Lucy hielt die Luft an; es sah so aus, als sei er über die Klippen gestürzt. Aber sie dachte nicht lange darüber nach, sondern suchte eifrig, ihn wiederzufinden. Sie lief schneller und war bald selbst inmitten der Bäume. Nach unten blickend, bemerkte sie einen steilen, schmalen Pfad, der abschüssig zwischen den Felsen in die Schlucht hineinführte und auf dem Aslan hinabstieg. Er wandte sich um und schaute sie mit frohen Augen an. Lucy klatschte in die Hände und begann, hinter ihm hinunterzuklettern. Hinter sich hörte sie die Stimmen der anderen rufen: »He! Lucy! Sei um Himmels willen vorsichtig. Hüte dich vor dem Abgrund. Komm zurück!« Und dann einen Augenblick später Edmunds Stimme: »Nein, sie hat recht. Hier ist ein Pfad nach unten.« Auf halbem Weg nach unten holte Edmund sie ein. »Sieh!« rief er aufgeregt. »Schau doch! Was für ein Schatten kriecht dort vor uns?« »Es ist sein Schatten«, antwortete Lucy.
»Du scheinst recht zu haben, Lu«, sagte Edmund. »Warum habe ich ihn nur bisher nicht gesehen? Und wo ist er selbst?« »Natürlich bei seinem Schatten. Kannst du ihn noch nicht erkennen?«
»Vielleicht - ich glaube es, einen Augenblick lang. Das Licht hier ist so schlecht.«
»Vorwärts, König Edmund, vorwärts«, klang Trumpkins Stimme hinter und über ihm, und von weitem, fast noch von der Höhe, hörte man Peters Stimme sagen: »Oh, nimm dich zusammen, Suse. Gib mir deine Hand. Hier kann wirklich ein kleines Kind klettern. Und laß das Nörgeln.« In einigen Minuten waren sie
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