Lewis CS - Narnia 4
unten, und das Rauschen des Wassers drang an ihre Ohren. Behutsam wie eine Katze tappte Aslan von Stein zu Stein durch den Bach. In der Mitte blieb er stehen und beugte sich nieder, um zu trinken. Als er sein tropfnasses Mähnenhaupt wieder erhob, wandte er ihnen sein Gesicht zu. Diesmal sah Edmund ihn. »Oh, Aslan«, rief er und stürmte vorwärts. Aber der Löwe drehte sich um und begann, den Abhang auf der anderen Seite des Sturzbaches emporzuklimmen. »Peter, Peter«, schrie Edmund, »hast du gesehen?« »Ja, irgend etwas«, bestätigte Peter, »aber dieses Mondlicht ist so irreführend. Wir wollen weitergehen - mit einem dreifachen Hoch auf Lucy. Ich fühle mich nicht mehr halb so müde.« Ohne anzuhalten, führte Aslan sie nach links weiter aufwärts in der Schlucht. Die ganze Wanderung war seltsam und geschah wie im Traum - der rauschende Bach, das nasse, graue Gras, die schimmernden Felsen, denen sie sich näherten, und vor ihnen immer das prächtige, schweigend schreitende Tier, das nunmehr alle außer Suse und dem Zwerg erkennen konnten. Bald darauf gelangten sie an einen anderen steilen Pfad, der an diesem Abhang der Schlucht hinaufführte. Diese Seite war viel höher als die andere, von der sie herabgekommen waren, und sie mußten in langem, mühsamem Zickzack hinaufsteigen. Glücklicherweise stand der Mond gerade über der Schlucht, so daß auf keiner Seite Schatten lagen. Lucy war dem Umfallen nahe, als der Schwanz und die Hinterbeine des Löwen über dem Gipfel verschwanden. Mit einer letzten Anstrengung kletterte sie ihm nach. Mit zitternden Knien und atemlos kam sie auf dem Hügel heraus, den sie alle zu erreichen gesucht hatten, seit sie vom Spiegelwasser abmarschiert waren. Der sanft abfallende Hang - bedeckt mit Heide, Gras und einigen wenigen, großen Felsbrocken, die weiß im Mondlicht glänzten - streckte sich einige hundert Meter weit, bis er in einer schimmernden Baumgruppe endete. Lucy wußte es nun. Dort war der Berg des Steinernen Tisches. Mit Panzergeklirr kletterten die anderen hinter ihr nach oben. Aslan glitt weiter, und sie folgten ihm. »Lucy«, sagte Suse mit bedrückter Stimme. »Ja?« fragte Lucy. »Jetzt sehe ich ihn; verzeih mir.« »Es ist gut.«
»Aber ich bin viel schlechter gewesen, als du weißt. Ich glaubte nämlich doch, daß er es war - gestern, als er uns davor warnte, in das Kieferngehölz hinabzusteigen. Und tatsächlich glaubte ich auch, daß er es heute nacht war, als du uns aufwecktest. Ich meine, ganz tief drinnen glaubte ich es. Oder ich hätte es doch glauben können, wenn ich es nur gewollt hätte. Aber ich wollte einfach nur fort aus den Wäldern, und - oh, ich weiß nicht mehr. Was soll ich ihm nur sagen?«
»Vielleicht brauchst du gar nicht viel zu sagen«, meinte Lucy. Sie erreichten bald die Bäume und konnten durch sie hindurch den großen Hügel sehen, Aslans Mal, das seit ihren Zeiten über dem Tisch errichtet worden war.
»Unsere Seite ist nicht sehr auf ihrer Hut«, murmelte Trumpkin. »Man hätte uns schon längst behelligen müssen.« »Schsch«, machten die vier anderen, denn Aslan war stehengeblieben und hatte sich umgewandt. Er blickte sie jetzt alle majestätisch an. Dabei fühlten sie sich so froh, wie man sich fühlen kann, wenn man sich gleichzeitig fürchtet, und zugleich fürchteten sie sich so, wie man sich fürchtet, wenn man gleichzeitig froh ist. Die Jungen schritten auf ihn zu. Lucy ließ sie durch, und Suse und der Zwerg traten zurück. »Oh, Aslan«, begann König Peter, ließ sich auf ein Knie nieder und hob die schwere Tatze des Löwen an sein Gesicht. »Ich bin so glücklich und bin doch so betrübt. Ich habe die anderen, seit wir aufbrachen, immer verkehrt geführt, und besonders gestern morgen.«
»Mein lieber Sohn«, sprach Aslan.
Darauf wandte er sich zu Edmund und begrüßte ihn. »Gut gemacht«, waren seine Worte.
Dann sprach die tiefe Stimme nach einer schrecklichen Pause: »Suse!« Suse gab keine Antwort, und den anderen schien es so, als ob sie weine. »Du hast dich von der Angst überwältigen lassen, Kind«, sagte Aslan. »Komm, laß mich dich anhauchen. Bist du nun wieder tapfer?« »Ein wenig, Aslan«, erwiderte Suse.
»Und jetzt«, sagte Aslan mit einer viel lauteren Stimme, die schon eine Spur von Gebrüll in sich trug, während sein Schwanz seine Flanken peitschte, »und jetzt, wo steckt denn der kleine Zwerg, dieser berühmte Fechter und Bogenschütze, der nicht an Löwen glaubt? Komm her, Sohn der Erde, komm
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