Lewis CS - Narnia 4
des Waldes, und von dort aus blickten sie auf einen sandigen Strand. Nur wenige Meter entfernt spülte ein ruhiges Meer mit so winzigen Kräuseln an das Ufer, daß man es kaum hörte. Jenseits des Wassers sah man kein Land, und am Himmel zeigten sich keine Wolken. Die Sonne stand ungefähr dort, wo sie um zehn Uhr morgens sein mußte, und das Meer strahlte in blendendem Blau. Sie standen da und sogen den Seegeruch tief ein. »Donnerwetter!« sagte Peter. »Ist das aber schön.« Ein paar Minuten danach waren alle vier barfuß und wateten in dem kalten, klaren Wasser. »Das ist viel besser, als im stickigen Zug zu sitzen und sich auf Latein, Französisch und Algebra vorzubereiten«, meinte Edmund. Dann wurde eine ganze Weile nicht gesprochen, sondern nur geplanscht, und alle suchten nach Krabben und Krebsen. »Wir müssen uns aber irgendeinen Plan machen«, meinte endlich Suse. »Es wird nicht mehr lange dauern, bis wir alle hungrig sind und etwas zu essen haben möchten.«
»Wir haben noch die belegten Brote bei uns, die Mutter uns für die Reise mitgegeben hat«, antwortete Edmund. »Ich jedenfalls habe meine.«
»Ich nicht«, stellte Lucy fest. »Meine waren in der kleinen Tasche.«
»Meine auch«, bemerkte Suse.
»Ich habe meine im Mantel, drüben am Strand«, sagte Peter. »Das macht also zwei Frühstückspakete für vier Leute. Allzu satt werden wir davon nicht werden.«
»Eigentlich möchte ich jetzt lieber etwas zu trinken als zu essen haben«, meinte Lucy.
Daraufhin spürten alle vier einen solchen Durst, wie man ihn immer dann bekommt, wenn man bei heißer Sonne im Salzwasser planscht.
»Mir kommt es gerade so vor, als seien wir schiffbrüchig«, bemerkte Edmund. »In den Büchern finden solche schiffbrüchige Leute auf Inseln immer Quellen mit frischem, klarem Wasser. Laßt uns losgehen und danach suchen.«
»Willst du etwa sagen, daß wir in den dichten Wald dort zurückgehen müssen?« fragte Suse.
»Davon ist nicht die Rede«, entgegnete Peter. »Wenn es hier überhaupt Flüsse gibt, so münden sie natürlich in das Meer, und wenn wir am Strand entlanggehen, müssen wir also auf einen treffen.« Sie wateten zurück und gingen erst über den feuchten, glatten und dann aufwärts über den trockenen, krümeligen Sand, der sich so gern zwischen die Zehen setzt. Dann zogen sie wieder Schuhe und Strümpfe an. Edmund und Lucy hätten das Schuhwerk gern zurückgelassen und die Entdeckungen auf nackten Füßen gemacht, aber Suse hielt das für unsinnig. »Vielleicht finden wir die Schuhe niemals wieder«, erklärte sie, »aber wir brauchen sie doch, wenn wir etwa heute abend noch hier sind und wenn es anfängt, kalt zu werden.«
Als sie wieder angezogen waren, machten sie sich auf den Weg. Linker Hand hatten sie das Wasser und rechts den Wald. Abgesehen von vereinzelten Seemöwen, war es eine ganz ruhige, unbelebte Landschaft. Der Wald war dicht zugewachsen; sie konnten kaum hineinschauen, und nichts bewegte sich darin, kein Vogel, nicht einmal ein Insekt. Muscheln und Tang, Seesterne und winzige Krebse in felsigen Pfützen sind alle sehr schön, aber man wird ihrer bald überdrüssig, wenn man durstig ist. Die Füße der Kinder, die erst in dem kalten Wasser gewatet hatten und dann im warmen Sand marschieren mußten, wurden heiß und bleiern. Suse und Lucy hatten ihre Regenmäntel zu tragen. Edmund hatte seinen Mantel, bevor der Zauber sie überfiel, gerade auf die Bahnhofsbank gelegt, und so trugen er und Peter abwechselnd Peters schweren Überzieher. Nun wandte sich der Strand im Bogen nach rechts. Ungefähr nach einer weiteren Viertelstunde
- sie hatten eine felsige, spitz auslaufende Klippe umgangen
- machte er eine ganz scharfe Wendung. Jetzt standen sie mit dem Rücken nach der Seite des Wassers, auf die sie zuerst gestoßen waren, als sie aus dem Wald herauskamen. Sie konnten nun geradeaus jenseits des Wassers ein anderes Ufer sehen, das ebenso dicht bewaldet war wie das, welches sie zu erforschen suchten.
»Ob das hier eine Insel ist?« fragte Lucy. »Oder kommen wir gleich auf die andere Seite?«
»Weiß nicht«, antwortete Peter, und schweigend trotteten sie weiter.
Das Ufer, auf dem sie sich bewegten, näherte sich immer mehr dem jenseitigen Ufer. Hinter jeder Klippe, die die Kinder umwanderten, hofften sie die Stelle zu finden, wo die beiden sich trafen. Aber immer wieder wurden sie enttäuscht. Auf ihrem weiteren Marsch mußten sie etliche Felsklippen erklettern, von deren Höhe sie ziemlich weit um
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