Lewis, CS - Narnia 7
Füße heben. Er fürchtete, Tirian könne einer seiner eigenen Offiziere sein, so daß er Unannehmlichkeiten bekommen könnte, weil er auf der Erde saß. Aber ehe er sich noch hochrappeln konnte, war Tirian schon auf ein Knie neben ihn gefallen und sagte:
»Bist du ein Krieger Tisroks? Es beglückt mein Herz, unter all diesen Bösewichtern von Narnianen dich zu treffen. Gib mir deine Hand, mein Freund!«
Bevor der kalormenische Wachtposten noch richtig wußte, was ihm geschah, wurde seine rechte Hand mit mächtigem Griff gepackt. Im nächsten Augenblick kniete schon jemand auf seinen Beinen, und ein Dolch wurde gegen seinen Hals gedrückt.
»Keinen Laut, oder du bist tot«, wisperte Tirian in sein Ohr. »Sag mir, wo das Einhorn ist, und du bleibst am Leben.«
»Hi – hinter dem Stall, Euer Gnaden«, stammelte der Unglückliche.
»Gut, steh auf und führ mich zu ihm.«
Während der Mann aufstand, blieb die Dolchspitze an seinem Hals. Sie glitt nur herum, kalt und kitzlig, als Tirian hinter den Wachtposten trat und sie an einer geeigneten Stelle unter dem Ohr ansetzte. Schlotternd vor Angst lief der Mann zur Rückseite des Stalles.
Obwohl es dunkel war, erkannte Tirian sofort die weiße Gestalt: Kleinod, das Einhorn. »Pst!« sagte er. »Nein, wiehere nicht! Ja, Kleinod, ich bin es. Wie haben sie dich angebunden?«
»An allen vier Füßen und mit einem Zügel im Ring an der Stallwand«, kam Kleinods Stimme.
»Stell dich hierher, Wache«, befahl Tirian, »mit dem Rücken zur Wand. So. Nun, Kleinod, setz dem Kalormenen die Spitze deines Horns auf die Brust.«
»Gern, Majestät«, sagte Kleinod.
»Wenn er sich bewegt, stich ihm ins Herz!« Dann zerschnitt Tirian in wenigen Sekunden die Stricke. Mit den Überresten fesselte er den Wachtposten an Händen und Füßen. Seinen geöffneten Mund stopfte er voll Gras. Vom Scheitel bis zum Kinn band er den Mann fest, so daß er keinen Laut mehr von sich geben konnte. Dann setzte er ihn an die Wand.
»Ich bin etwas unhöflich zu dir gewesen, tapferer Krieger«, sagte Tirian. »Aber das war auch nötig. Wenn wir uns wieder treffen sollten, werde ich dich vielleicht etwas besser behandeln. Nun, Kleinod, laß uns gehen, aber leise.«
Er legte seinen linken Arm um den Hals des Tieres, beugte sich vor und küßte es auf die Nase, und beide freuten sich. So still wie möglich gingen sie zu dem Platz zurück, wo Jutta und Eugen warteten. Unter den Bäumen dort war es schon dunkler, und Tirian rannte fast gegen Eugen, bevor er ihn überhaupt sah.
»Alles in Ordnung«, flüsterte Tirian, »ganze Arbeit in einer guten Nacht. Jetzt nichts wie heim.«
Sie wandten sich und waren schon ein paar Schritte gegangen, als Eugen fragte: »Wo bist du denn, Jutta?« Keine Antwort. »Ist sie nicht an deiner Seite, König?«
»Was?« rief Tirian. »Ich dachte, sie ginge mit dir.«
Es war ein schrecklicher Augenblick. Sie wagten nicht zu rufen, aber sie hauchten Juttas Namen in den lautesten Flüstertönen, die sie hervorbringen konnten. Es kam keine Antwort.
»Ist sie denn fortgegangen, während ich weg war?« fragte Tirian.
»Ich habe nicht gehört und nicht gesehen, daß sie wegging«, erklärte Eugen. »Aber möglich wäre es, denn sie kann so leise sein wie eine Katze, das hast du ja schon selbst bemerkt.«
In diesem Augenblick waren von weither Trommelschläge zu hören. Kleinod bewegte seine Ohren vorwärts. »Zwerge«, sagte er kurz.
»Wahrscheinlich verräterische Zwerge, also Feinde«, murmelte Tirian.
»Und jetzt nähert sich jemand auf Hufen«, stellte Kleinod fest.
Die beiden Menschen und das Einhorn standen mäuschenstill. Es gab so vieles, worüber man sich Sorgen machen mußte, deshalb wußten sie nicht recht, was sie tun sollten. Das Geräusch der Hufe kam ständig näher. Plötzlich flüsterte eine Stimme ganz nah bei ihnen:
»Hallo! Seid ihr alle da?« Das war Juttas Stimme.
»Wo zum Kuckuck bist du denn gewesen?« fragte Eugen wütend.
»Im Stall«, japste Jutta. Aber das war bei ihr so eine Art von Luftschnappen, wenn man mit unterdrücktem Lachen kämpfen muß.
»So«, brummte Eugen, »das findest du noch spaßig, was? Na, ich kann dir sagen…«
»Hast du Kleinod abgeholt, Majestät?« fragte Jutta.
»Ja, hier ist er doch. Aber was bedeutet das fremde Tier an deiner Seite?«
»Er ist es«, antwortete Jutta. »Aber laßt uns schnell heimgehen, bevor irgend jemand aufwacht.« Dann mußte sie wieder lachen.
Die anderen gehorchten auf der Stelle, denn sie
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