Lewis, CS - Narnia 7
nichts wird sich verändern, Öl und Asche werden uns wieder zu weißen Narnianen machen. Und nun, liebe Jutta, laß uns sehen, wie dir dieses Panzerhemd paßt. Es ist etwas zu lang, doch nicht soviel, wie ich befürchtet habe. Es gehörte wohl einem Edelknaben ihrer großen Herren, den Tarkhanen.«
Nach den Panzerhemden probierten sie kalormenische Helme auf, die – klein und rund – dicht auf dem Kopf sitzen und an der Spitze einen Dorn haben. Dann nahm Tirian lange Rollen von weißem Stoff aus einem Schrank und wickelte sie über die Helme, bis es Turbane wurden; aber der kleine Stahldorn steckte noch oben in der Mitte. Tirian und Eugen nahmen gebogene kalormenische Schwerter und kleine runde Schilde. Es gab kein Schwert, das leicht genug für Jutta war, aber es fand sich ein langes, gerades Jagdmesser, das zur Not als Schwert dienen konnte.
»Versteht du etwas vom Bogenschießen, Mädchen?« fragte Tirian.
»Reden wir lieber nicht davon«, sagte Jutta errötend. »Eugen versteht mehr davon.«
»Glaubt ihr nicht, Majestät«, entgegnete Eugen. »Wir mußten beide oft das Bogenschießen üben, seitdem wir zum letzten Mal von Narnia zurückkehrten. Jutta schießt jetzt etwa so gut wie ich. Besonders gut schießen wir allerdings beide nicht.«
Tirian gab Jutta einen Bogen und einen Köcher voller Pfeile. Zunächst aber mußten sie ein Feuer anzünden. Im Innern des Turmes fühlte man sich mehr in einem Käfig als in einem Wohnraum, und es konnte einen ganz schön frösteln. Aber beim Holzsammeln wurde ihnen warm – die Sonne stand zu dieser Zeit am höchsten –, und als dann die Flamme im Kamin loderte, sah der Ort ganz freundlich aus.
Das Mittagessen war etwas stumpfsinnig, denn von dem harten Zwieback aus einem Schrank konnten sie nur Stücke zerstampfen und sie als Brei mit Salz in Wasser kochen. Zu trinken gab es nichts anderes als reines Wasser.
»Hätten wir doch ein Päckchen Tee mitgebracht«, sagte Jutta.
»Oder eine Büchse Kakao«, meinte Eugen.
»Ein Fäßchen mit gutem Wein in jedem Turm wäre auch nicht verkehrt gewesen«, überlegte Tirian.
Jutta als Pfadfinderin
Etwa vier Stunden später legte sich Tirian in eines der Betten, um ein bißchen zu schlafen. Die beiden Kinder schnarchten schon. Tirian hatte sie früher zu Bett geschickt, damit sie in der Nacht wach bleiben konnten. In ihrem Alter brauchten sie eben viel Schlaf.
Tirian hatte sie auch schön müde gemacht. Zuerst hatte er Jutta das Bogenschießen gezeigt, und dann hatte er sie fleißig üben lassen. Das Höchstmaß der Narnianen erreichte sie zwar nicht, aber ihre Leistungen waren doch recht gut. Es war ihr gelungen, ein Kaninchen zu schießen. Kein sprechendes Kaninchen natürlich; von der gewöhnlichen Art gibt es in West-Narnia eine ganze Menge. Dieses erlegte Kaninchen war inzwischen gehäutet, ausgeweidet und aufgehängt worden. Tirian hatte bemerkt, daß die beiden Kinder über diese schmutzige und übelriechende Arbeit gut Bescheid wußten. Sie hatten sie gründlich kennengelernt auf ihrer großen Reise durch das Land der Riesen zur Zeit des Prinzen Kilian.
Dann hatte Tirian versucht, Eugen beizubringen, wie er mit Schwert und Schild umgehen mußte. Bei seinen früheren Abenteuern hatte Eugen das Fechten mit dem Schwert gelernt, aber nur mit einem geraden narnianischen Schwert. Mit einem kalormenischen Krummschwert hatte er noch nie gefochten. Das behinderte die Übungen, denn viele Schwertstreiche sind ganz verschieden. Einige Techniken, die Eugen beim Gebrauch des langen narnianischen Schwertes erlernt hatte, mußte er sich jetzt sogar wieder abgewöhnen. Tirian fand, daß Eugen ein gutes Auge hatte und schnell auf den Füßen war. Er war erstaunt über die Kraft der beiden Kinder; sie schienen viel stärker, größer und erwachsener zu sein als ein paar Stunden früher bei ihrer Ankunft in Narnia. So wirkt eben die Luft dieses Wunderlandes auf Besucher unserer Welt.
Alle drei stimmten überein, daß sie zuerst zum Stallberg zurückgehen mußten, um das Einhorn zu retten. Bei Erfolg wollten sie später nach Osten ziehen und das kleine Heer treffen, das Runwitt der Zentaur von Otterfluh holen sollte.
Ein erfahrener Krieger und Jäger wie Tirian kann immer zu der Zeit aufwachen, wann er es will. So ließ er sich bis neun Uhr abends Zeit, dann aber schlug er sich alle Sorgen aus dem Kopf und schlief sofort ein. Als er aufwachte, meinte er, es sei nur einen Augenblick später. Doch am Licht und dem
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