Lewis, CS - Narnia 7
Affe, »im gleichen Augenblick, da der Schreckliche selbst unter uns weilt – dort in dem Stall, gerade hinter mir – hat ein böses Wesen ein Verbrechen begangen. Etwas, das sonst keiner wagen würde, auch nicht, wenn der Strenge und Unerbittliche tausend Kilometer weit weg wäre. Ein gewisses Tier hat sich eine Löwenhaut übergestülpt, es wandert in diesen Wäldern umher und täuscht vor, Aslan zu sein.«
Jutta fragte sich, ob der Affe verrückt geworden sei. Wollte er vielleicht die ganze Wahrheit sagen? Ein Brüllen des Schreckens und der Wut kam von den Tieren. »Grr!« grollten sie. »Wer ist es denn? Wo ist er? Unsere Zähne sollen ihn zerreißen.«
»Vorige Nacht hat man das Tier gesehen«, kreischte der Affe, »aber es ist weitergezogen. Es ist ein Esel, ein ganz gewöhnlicher, elender Esel. Wenn einer von euch diesen Esel sehen sollte…«
»Grrr!« grollten die Tiere. »Er soll nur kommen. Er täte besser daran, uns aus dem Wege zu gehen.«
Jutta sah den König an. Sein Mund stand offen, und sein Gesicht war schreckerfüllt. Da verstand sie die teuflische Arglist der Feinde. Sie mischten ein bißchen Wahrheit unter die Lüge, und damit war die Lüge noch stärker geworden. Warum sollten sie den Tieren jetzt noch sagen, daß ein Esel sich als Löwe verkleidet habe, um sie zu täuschen? Der Affe konnte nun antworten: »Das habe ich doch gerade gesagt.« Lohnte es sich dann noch, ihnen Grauohr in seiner Löwenhaut zu zeigen? Die Tiere würden ihn sofort in tausend Stücke reißen.
»Das hat uns den Wind aus den Segeln genommen«, flüsterte Eugen.
»Der Boden unter unseren Füßen ist weggezogen worden«, sagte Tirian.
»Verwünschte Arglist!« rief Pogge. »Ich könnte schwören, daß diese neue Lüge von Rotschopf stammt.«
Der unheimliche Stall
Jutta fühlte, wie es an ihrem Ohr kitzelte. Das kam von Kleinod, der mit seinem breiten Pferdemaul Jutta etwas zuwisperte. Zum Zeichen, daß sie verstanden hatte, nickte sie. Auf Zehenspitzen schlich sie zu Grauohr und löste schnell und leise die letzten Stricke, die das Löwenfell noch hielten. Man denke nur, der Esel wäre mit dem Fell auf dem Rücken gefangengenommen worden, nach dem, was der Affe jetzt gesagt hatte! Das wäre schlimm gewesen für Grauohr. Am liebsten hätte Jutta das Fell gut versteckt, möglichst weit weg von hier; aber es war zu schwer. Wohin damit? Sie stieß es einfach unter die dichtesten Büsche. Dann machte sie Grauohr ein Zeichen, und er folgte ihr zu den anderen.
Der Affe sprach wieder.
»Nach dieser schrecklichen Sache ist Aslan – nein, Taschlan – grimmiger denn je. Er sagt, er sei viel zu gut zu euch gewesen, daß er jede Nacht herauskam und sich zeigte, versteht ihr? Nun wird er nicht mehr kommen.«
Heulen, Miauen, Quieken und Grunzen war die Antwort der Tiere auf das Gerede des Affen. Plötzlich aber ertönte lautes Lachen.
»Hört nur, was der Affe spricht«, rief eine Stimme. »Wollt ihr wissen, warum er seinen kostbaren Taschlan nicht vorzeigt? Ich werd’s euch sagen: Weil er ihn gar nicht hat. Er hat euch nie etwas anderes gezeigt, als einen alten Esel mit einem Löwenfell auf dem Rücken. Jetzt hat er ihn verloren, und nun weiß er nicht, was er tun soll.«
Tirian konnte die Gesichter auf der anderen Seite des Feuers kaum sehen, aber er vermutete in dem Sprecher Krall den Oberzwerg. Er war es wirklich, denn kurz darauf stimmten alle Zwerge in den Singsang ein:
»Weiß nicht, was er tun soll! Weiß nicht, was er tun soll! Weiß nicht, was er t-u-u-u-n soll!«
»Ruhe!« donnerte Rischda Tarkhan. »Ruhe, ihr Unterirdischen! Hört mir zu, auch ihr anderen Narnianen, sonst befehle ich meinen Kriegern, mit den Schwertern über euch herzufallen. Graf Kniff hat euch schon von dem verruchten Esel erzählt. Glaubt ihr, seinetwegen gäbe es keinen richtigen Taschlan im Stall? Glaubt ihr das? Hütet euch, nehmt euch in acht!«
»Nein, nein!« schrien die meisten. Doch die Zwerge riefen: »Recht so, Rischda, du Schwarzgesicht, nun hast du es uns aber gegeben, was? Los, Äffchen, nun zeig uns doch, was wirklich im Stall ist. Wir können nur das glauben, was wir sehen.«
Nach einem Augenblick der Stille sagte der Affe: »Ihr Zwerge denkt, daß ihr wunder wie klug seid, nicht wahr? Aber nicht so voreilig. Ich habe niemals gesagt, daß ihr Taschlan nicht sehen könnt. Jeder, der Lust hat, kann ihn sehen.«
Die ganze Versammlung wurde still. Dann, fast nach einer Minute, begann der Bär mit langsamer,
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