Lewis, Michael
Leute, die die Katastrophe hatten kommen sehen. Nur einer davon
arbeitete als Anleihenhändler für eine große Wall-Street-Firma: ein vordem
unbedeutender Händler mit forderungsbesicherten Anleihen namens Greg Lippmann,
der bei der Deutschen Bank beschäftigt war. FrontPoint und Cornwall wurden
beide nicht in dem Artikel erwähnt, und der Investor, der völlig
unverständlicherweise ebenfalls nicht darin vorkam, saß allein in seinem Büro
in Cupertino, Kalifornien. Michael Burry schnitt den Artikel aus und schickte
ihn mit folgender Anmerkung per E-Mail an seine sämtlichen Kollegen: »Lippmann
ist der Kerl, der mir meine Idee geklaut hat. Und nun heimst er noch die
Lorbeeren dafür ein.« Seine eigenen Investoren, deren Gelder er zumindest verdoppelt
hatte, sagten nicht viel. Er hörte weder eine Entschuldigung, noch dankten sie
ihm. »Kein Einziger kam zu mir und meinte: >Hey, Sie hatten ja so
Recht!<«, sagte er. »Es blieb ruhig. Verdammt ruhig. Diese Ruhe trieb mich
in den Wahnsinn.« So blieb ihm nur sein Lieblingskommunikationsmedium: die
E-Mail an die Investoren. Anfang Juli 2007, als die Märkte zusammenbrachen,
warf er eine ausgezeichnete Frage in den Raum: »Ein ziemlich überraschender
Aspekt dieses ganzen Dramas ist doch«, schrieb er, »dass es kaum Berichte über
Investoren gab, die tatsächlich unter den Schwierigkeiten des Marktes für
minderwertige Hypotheken gelitten hatten ... Weshalb haben wir noch nichts von
dem Long-Term Capital dieser Ära gehört?«
Kapitel 9
Eine Passion stirbt
Howie
Hubler war in New Jersey aufgewachsen und hatte am Montclair State College
Football gespielt. Auf Anhieb fielen sein kräftiger Stiernacken, sein
riesengroßer Kopf und seine herrische Art auf, die man ihm als bewundernswert
direkt und zugleich als Maske auslegte. Er war laut, eigensinnig und
einschüchternd. »Wenn man ihn mit einem rationalen Argument zu seinen
Geschäften konfrontierte, ließ Howie sich nicht auf eine intellektuelle Ebene
ein«, erklärte einer von Hublers Vorgesetzten aus seiner Anfangszeit bei Morgan
Stanley. »Er verlegte sich auf die Ebene: >Geht mir verdammt noch mal aus
den Augen.<« Manche mochten Hubler, andere nicht. Aber Anfang 2004 spielte
es kaum eine Rolle, was andere über Howie Hubler dachten, denn er hatte Morgan
Stanley mittlerweile seit annähernd zehn Jahren Gewinne im Rentenhandel
eingebracht. Er leitete dort den Handel mit forderungsbesicherten Wertpapieren
und war daher praktisch auch für Spekulationen mit Subprime-Hypothekenanleihen
zuständig. Bis zu dem Zeitpunkt, als der Subprime-Hypothekenmarkt boomte und den
Händlern von forderungsbesicherten Wertpapieren eine andere Bedeutung verlieh,
hatte Hubler eine ähnliche Karriere gemacht wie Greg Lippmann. Wie jeder andere
in dieser Sparte hatte auch er ein Pokerspiel mit niedrigen Einsätzen gespielt,
bei dem die Karten zu seinen Gunsten gezinkt waren, weil auf diesem Markt noch
nie etwas ernstlich schiefgegangen war. Die Preise fielen zwar gelegentlich,
erholten sich aber immer wieder. Man konnte forderungsbesicherte Wertpapiere
mögen oder lieben, aber nicht hassen, weil es kein Instrument gab, gegen
sie zu spekulieren.
Bei
Morgan Stanley führte der Subprime-Hypothekenboom zu einer zündenden Idee. Das
Unternehmen war führend daran beteiligt gewesen, die Finanzinstrumente, die
bei der Bündelung von Unternehmensanleihen zum Einsatz kamen, auch auf
Verbraucherkredite anzuwenden. Morgan Stanleys Finanzmathematiker — ihre Quants — hatten entscheidend dazu
beigetragen, den Ratingagenturen Moody's und S&P beizubringen, wie sie
CDOs auf forderungsbesicherte Wertpapierpools zu bewerten hatten. Es lag daher
nahe, dass jemand bei Morgan Stanley auf die Idee kam, ein Credit Default Swap
auf ein forderungsbesichertes Wertpapier zu erfinden. Howie Hublers
Subprime-Hypothekenabteilung entwickelte mit ungeahnter, ständig wachsender
Geschwindigkeit Hypothekenanleihen. Dazu musste man die Darlehen manchmal über
Monate hinweg »lagern«. Zwischen dem Kreditankauf und dem Verkauf der Anleihen,
die auf diesen Krediten beruhten, war seine Abteilung der Gefahr fallender
Preise ausgesetzt. »Der einzige Grund, aus dem wir den Credit Default Swap
schufen, war, die von Howie Hubler geleitete Hypothekenabteilung zu schützen«,
erklärte einer der Entwickler. Wenn Morgan Stanley jemanden fand, der dem
Unternehmen eine Versicherung für seine Kredite verkaufte, konnte Hubler das
Marktrisiko ausschalten, das mit dem
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