Lewis, Michael
Derivatehändler eine Vorstellung davon, wovon
ich redete, und niemand hielt es für wichtig.« In der langen, seltsam ruhigen
Phase zwischen Februar und Juni 2007 sah die Sache schon anders aus. Der Markt
war nervös. Im ersten Quartal 2007 hatte Scion Capital knapp 18 Prozent
gewonnen.
Doch
dann änderte sich etwas - doch was, das war zunächst schwer zu erkennen. Am 14.
Juni gingen die beiden auf Subprime-Hypothekenanleihen spezialisierten
Hedgefonds, die effektiv Bear Stearns gehörten, Konkurs. In den darauffolgenden
zwei Wochen fiel der öffentlich gehandelte Index für mit BBB bewertete
minderwertige hypothekenunterlegte Anleihen um fast 20 Prozent. In dem Moment
erlitt Goldman Sachs einen Nervenzusammenbruch, zumindest sah das Burry so.
Seine größten Positionen hielt er bei Goldman, und Goldman war seit Neuestem
nicht mehr in der Lage oder nicht mehr gewillt, den Wert dieser Positionen
festzulegen, weshalb niemand sagen konnte, wie viele Sicherheiten hin- oder
hergeschoben werden sollten. Am Freitag, dem 15. Juni, tauchte Veronica
Grinstein, Burrys Händlerin bei Goldman Sachs, einfach ab. Er rief sie an,
schickte ihr E-Mails, aber sie blieb verschwunden - bis zum darauffolgenden Montag,
an dem sie ihn wissen ließ, dass sie »den ganzen Tag außer Haus sein würde«. »Das
ist immer so, wenn sich der Markt so verhält, wie es wir erwarteten«, schrieb
Burry. »Die Leute werden krank oder sind aus nicht näher erläuterten Gründen
nicht im Büro.«
Am
20. Juni kehrte Grinstein schließlich ins Büro zurück und ließ ihn wissen, dass
es bei Goldman Sachs zu einem »Systemfehler« gekommen sei.
Das
sei doch wirklich komisch, antwortete ihr Burry, denn Morgan Stanley hatte
ungefähr genau das Gleiche mitgeteilt. Und sein Händler bei der Bank of
America sprach von einem »Stromausfall«.
»Für
mich waren diese >Systemfehler< nichts anderes als Ausflüchte, um Zeit
für die Beseitigung des Chaos hinter den Kulissen zu gewinnen«, sagte er. Die
Händlerin von Goldman machte den schwachen Versuch zu behaupten, dass selbst
bei einem Kollaps des Indexes für minderwertige hypothekenunterlegte Anleihen
der Markt für Versicherungen keinesfalls mit in die Tiefe gerissen würde. Merkwürdig
auch, dass sie ihn von ihrem Handy aus angerufen hatte und nicht über ihr
Telefon im Büro - solche Gespräche wurden nämlich aufgezeichnet.
Sie
kapitulierten. Und zwar alle. Fast zwei Jahre lang hatte Burry verfolgt, wie
die Händler der Wall Street am Ende eines jeden Monats seine Positionen
willkürlich abgewertet hatten. Das bedeutete konkret, dass am Ende eines jeden
Monats seine Spekulationen gegen minderwertige Anleihen auf mysteriöse Weise an
Wert verloren hatten. War es Zufall, dass am Ende eines jeden Monats die
Händler der Wall Street ihre Gewinn- und Verlustrechnungen ihren Managern und
Risikomanagern vorlegten? Am 29. Juni erhielt Burry eine Mitteilung von seinem
Händler bei Morgan Stanley, Art Ringness, in der es hieß, dass Morgan Stanley
künftig alles daran setze, dafür zu sorgen, dass »die Bewertungen nun fair
erfolgten«. Am nächsten Morgen zog Goldman Sachs nach. Zum ersten Mal seit zwei
Jahren hatte Goldman Sachs seine Positionen am Monatsende nicht abgewertet.
»Zum ersten Mal waren ihre Bewertungen korrekt«, stellte er fest. »Vermutlich,
weil sie nun selbst in dieses Geschäft eingestiegen waren.« Der Markt hatte
anscheinend die Diagnose einer Funktionsstörung akzeptiert.
Der
Moment, in dem Goldman einstieg, war zugleich der Moment, an dem der Markt auf
den Kopf gestellt wurde. Das Blatt hatte sich gewendet: Auf einmal wollte jeder
mit ihm reden. Morgan Stanley, wo man schlechte Neuigkeiten über das
Subprime-Segment zunächst überhaupt nicht hatte wahrhaben wollen, teilte ihm
nun telefonisch mit, dass man ihm alles abkaufen würde, »in jeder beliebigen
Größenordnung«. Burry hörte Gerüchte - die sich kurz darauf bestätigten -,
dass der von Goldman gemanagte Fonds Global Alpha erhebliche Verluste im
Subprime-Segment verzeichnete und dass Goldman selbst schnell auf ganzer Linie
umgeschwenkt war und nun nicht mehr auf, sondern gegen minderwertige
hypothekenunterlegte Anleihen spekulierte.
Wie
er seinen Investoren im Sommer 2005 mitgeteilt hatte, war das genau der Moment,
auf den sie nur gewartet hatten. Bei Schrotthypotheken im Wert von knapp
dreiviertel Billionen US-Dollar war die Zeit des Lockzinses abgelaufen, und die
Zinsen stiegen rasch auf ein neues, höheres Niveau an. Ein
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