Lewis, Michael
tun hatte,
und der war schon beachtlich. Er führt den Leuten seine Trades vor. Und sie
vollziehen sie in Echtzeit nach. Er investiert wertorientiert - mitten in der
Dotcom-Blase. Er kauft Value-Aktien wie wir. Doch wir machen Verluste. Und wir
verlieren Kunden. Doch er schafft plötzlich den Durchbruch. Er macht 50 Prozent
Gewinn. Das ist unheimlich. Er ist unheimlich. Und wir sind nicht die Einzigen,
die ihn im Visier haben.«
Mike
Burry konnte nicht wissen, wer seine Schritte auf dem Finanzmarkt nachvollzog,
doch er konnte sagen, aus welcher Ecke diese Leute stammten. Anfangs kamen
seine Leser von EarthLink und AOL - Einzelne, die zufällig auf ihn stießen.
Doch das sollte sich bald ändern. Seine Website wurde von
Investmentfondsgesellschaften wie Fidelity und großen Investmentbanken der Wall
Street wie Morgan Stanley aufgerufen. Eines Tages schrieb er über die
Indexfonds von Vanguard und erhielt prompt eine Unterlassungsaufforderung von Vanguards
Anwälten. Burry nahm an, dass sich möglicherweise auch ernst zu nehmende
Investoren nach seinen Blog-Posts richteten, doch wer das sein könnte, wusste
er nicht genau. »Der Markt hat ihn gefunden«, meinte der Fondsmanager aus
Philadelphia dazu. »Er entdeckte Muster, die sonst niemand erkannte.«
Als
Burry 1998 ans Stanford Hospital wechselte, um seine Facharztausbildung zum
Neurologen zu beginnen, hatte ihn die Arbeit, die er von Mitternacht bis drei
Uhr morgens leistete, zu einem kleinen, aber nicht unbedeutenden Stern am
Firmament des Value-Investing gemacht. Zu der Zeit war die
Internetaktienhysterie schon vollkommen außer Kontrolle geraten und hatte auch
das medizinische Personal an der Stanford University erfasst. »Vor allem die
angehenden Fachärzte, aber auch manche Angehörige des Lehrkörpers, hatten sich
von der Dotcom-Blase mitreißen lassen«, erzählte Burry. »Eine nicht unerhebliche
Minderheit kaufte und diskutierte alles Mögliche - Polycom, Corel, Razorfish, Pets.com ,
Tibco, Microsoft, Dell und Intel sind die Namen, an die ich mich konkret
erinnere, doch in meinem Kopf lief vieles einfach unter der Überschrift
Habt-ihr-sie-noch-alle zusammen ... Doch ich hielt meinen Mund, weil ich nicht
wollte, dass im Krankenhaus jemand mitbekam, womit ich mich nebenbei beschäftigte.
Mir schwante, dass ich großen Ärger bekommen könnte, wenn die Herren Doktoren
merkten, dass ich mich nicht 150-prozentig für die Medizin engagierte.« Wer
sich darum Gedanken macht, ob andere sich ausreichend der Medizin widmen, tut
das vermutlich selbst nicht. Je weiter seine medizinische Laufbahn fortschritt,
desto mehr fühlte sich Burry beeinträchtigt durch seine Probleme im Umgang mit
Menschen aus Fleisch und Blut. Eine Zeitlang versuchte er, sich in der
Pathologie zu verstecken, wo die Patienten den Anstand hatten, tot zu sein,
doch das war auch keine Lösung. (»Tote Menschen, leblose Körperteile. Und noch
mehr tote Menschen und leblose Körperteile. Mir schwebte etwas intellektuell
Anspruchsvolleres vor.«)
Er
war nach San Jose zurückgekehrt, hatte seinen Vater beerdigt, wieder geheiratet
und war von Experten fälschlicherweise als manisch-depressiv diagnostiziert
worden, als er seine Website einstellte und verkündete, er werde die Neurologie
an den Nagel hängen und sein Glück als Anlageverwalter versuchen. Der Leiter
der neurologischen Abteilung in Stanford glaubte, er habe den Verstand verloren,
und riet ihm, sich ein Jahr Zeit zu lassen, um es sich in Ruhe zu überlegen.
Doch das hatte er schon getan. »Der Gedanke«, erzählte er, »dass es nichts mehr
bedeuten würde, was andere über mich als Mensch dachten - obwohl ich mich
selbst in meinem tiefsten Inneren für einen anständigen Kerl hielt -, wenn ich
ein Portfolio gewinnbringend verwalten und Erfolg im Leben haben würde,
faszinierte mich und erschien mir zugleich realistisch.« Dass er 40000
US-Dollar an Vermögenswerten, aber 145 000 US-Dollar an Schulden aus Studienkrediten
hatte, warf die Frage auf, welcher Portfolio das wohl werden würde. Sein Vater
war nach einer weiteren Fehldiagnose verstorben: Ein Arzt hatte den Krebs auf
einem Röntgenbild nicht erkannt, und die Familie erhielt eine kleine Abfindung.
Burry senior hatte den Aktienmarkt missbilligt, doch das Geld, das durch seinen
Tod in die Familienkasse kam, ermöglichte seinem Sohn den Einstieg ins Investmentgeschäft.
Seine Mutter konnte 20 000 US-Dollar aus ihrem Anteil beisteuern, und seine
drei Brüder legten jeweils 10000
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