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Lewis, Michael

Lewis, Michael

Titel: Lewis, Michael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: The Big Short
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es
offenbar unerheblich, ob der Aktienmarkt stieg oder fiel. Mike Burry fand Wege,
Kapital clever zu investieren. Er verzichtete auf den Einsatz von Fremdmitteln
und mied Leerverkäufe. Er tat eigentlich nichts Verheißungsvolleres, als
Stammaktien zu kaufen, und nichts Komplizierteres, als in einem Büro zu sitzen und
Jahresabschlüsse zu studieren. Für rund 100 US-Dollar pro Jahr abonnierte er
10-K Wizard. Der Entscheidungsfindungsapparat von Scion bestand aus einem Mann,
der mit geschlossener Türe und heruntergelassenen Jalousien in einem Zimmer
saß und über via 10-K Wizard öffentlich zugänglichen Informationen und Daten
brütete. Er achtete auf Gerichtsurteile, abgeschlossene Transaktionen oder Änderungen
bei behördlichen Vorschriften - auf alles eben, was sich auf den Wert eines
Unternehmens auswirkt.
    Jede
zweite Aktie, die er analysierte, erklärte er zu einer sogenannten
»Igitt«-Anlage. Im Oktober 2001 erklärte er dieses Konzept in seinem Brief an
die Investoren: »Igitt-Anlage bedeutet, dass man der Aktie besonderes
analytisches Interesse angedeihen lässt, auf die man spontan mit Abscheu
reagiert hat.«
    Ein
gutes Beispiel dafür war ein Unternehmen mit dem alarmierenden Namen Avant!
Corporation. Auf dieses war er gestoßen, weil er in Nachrichtenmeldungen nach
dem Begriff »stattgegeben« gesucht hatte. Er wusste, dass er am Spielfeldrand
stand und aus dieser Position heraus unorthodoxe Methoden entwickeln musste, um
das Spiel zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Das bedeutete in der Regel, dass
er Ausnahmesituationen ausfindig machen musste, die der Rest der Welt noch
nicht richtig wahrgenommen hatte. »Ich suchte nicht nach Meldungen über
Schwindel oder Betrug an sich«, erklärte er. »Das wäre ein Blick in die
Vergangenheit gewesen, und ich wollte den Entwicklungen ja vorgreifen. Ich
suchte nach Prozessverläufen, die mir eine Investmentthese liefern könnten.
Nach einem Einspruch, dem stattgegeben wurde. Nach einer Klage, der
stattgegeben wurde. Nach einem Vergleich, dem vom Gericht stattgegeben wurde.«
Ein Gericht hatte dem Einspruch einer Software-Schmiede namens Avant!
Corporation stattgegeben. Avant! war vorgeworfen worden, einem Mitbewerber
einen Software-Code gestohlen zu haben, der die Geschäftsgrundlage von Avant!
darstellte. Das Unternehmen hatte 100 Millionen US-Dollar auf der Bank und
generierte jedes Jahr 100 Millionen US-Dollar freien Cashflow. Dabei betrug
sein Marktwert nur 250 Millionen US-Dollar! Michael Burry grub tiefer. Als er
seine Analyse abschloss, wusste er mehr über die Avant! Corporation als jeder
andere Mensch auf der Welt. Er erkannte, dass Avant! auch dann noch viel mehr
wert sein würde, als der Markt damals annahm, wenn führende Mitarbeiter im
Gefängnis landen und Geldbußen gezahlt würden (was beides eintreten sollte).
Die meisten der dort beschäftigten Techniker waren Chinesen mit Arbeitsvisa,
die wenig Alternativen auf dem Arbeitsmarkt hatten. Dass die Mitarbeiter
abwandern würden, bevor das Licht ausging, stand also nicht zu befürchten. Um
an der Avant!-Aktie zu verdienen, würde er jedoch vermutlich zunächst Verluste
in Kauf nehmen müssen, da die Investoren auf die miserable Publicity
reagierten, indem sie ihre Aktien entsetzt auf den Markt warfen.
    Die
ersten Avant!-Papiere kaufte Burry im Juni 2001 zu 12 US-Dollar pro Aktie.
Damals erschien die Führungsriege von Avant! auf der Titelseite einer Ausgabe
der Business
Week unter
der Überschrift »Zahlt sich kriminelles Verhalten aus?«. Der Kurs brach ein.
Burry kaufte zu. Die Avant!-Manager gingen in den Knast. Die Aktie rutschte
weiter ab. Mike Burry stockte seine Position auf - bis der Kurs auf 2 US-Dollar
pro Aktie gefallen war. Er wurde zum Hauptaktionär von Avant! und drängte die
Unternehmensleitung zu Veränderungen. »Da die kriminelle Aura [des ehemaligen
CEO] nicht länger die Geschäftsführung beeinflusst«, schrieb er an die neue
Führungsspitze, »hat Avant! die Chance, zu zeigen, dass es sich um seine
Aktionäre kümmert.« In einer anderen E-Mail vom August schrieb er: »Avant! gibt
mir noch immer das Gefühl, mit der Dorfhure zu schlafen. Egal wie aufmerksam
meine Bedürfnisse auch erfüllt werden - ich bezweifle, dass ich je damit
angeben werde. Der Heimlichkeitsfaktor ist jenseits von Gut und Böse. Ich
glaube fast, wenn ich Avant! zu sehr unter Druck setze, habe ich am Ende die
chinesische Mafia am Hals.« Vier Monate später wurde Avant! für 22 US-Dollar
pro Aktie

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