Lewis, Michael
aufgekauft. »Das war ein klassisches Mike-Burry-Manöver«, sagte einer
seiner Investoren. »Am Ende steigt der Kurs aufs Zehnfache, doch erst verliert
er satte 50 Prozent.«
Für
solche Übungen haben die wenigsten Investoren viel übrig. Doch genau darum
ginge es beim Value-Investing, wie Burry meinte. Sein Job war es, der gängigen
Meinung lautstark zu widersprechen. Das konnte er aber nur, wenn er nicht auf
Gnade und Ungnade kurzfristigen Marktbewegungen ausgeliefert war. Daher gab er
seinen Investoren - anders als die meisten Hedgefonds - nicht die Möglichkeit,
ihr Kapital kurzfristig abzuziehen. Wer bei Scion investierte, war mindestens
ein Jahr gebunden. Außerdem gestaltete Burry seinen Fonds so, dass er Investoren
anzog, die sich für Long-Engagements auf dem Aktienmarkt interessierten - die
auf steigende Kurse setzen wollten, nicht auf fallende. »Im Herzen bin ich kein
Leerverkäufer«, sagte er. »Ich analysiere Unternehmen nicht, um sie dann
leerzuverkaufen. Ich möchte, dass das Gewinnpotenzial aus fundamentaler Sicht
deutlich höher ist als das Verlustrisiko.« Ebenso konnte er sich nicht mit dem
mit einer Short-Position in Aktien verbundenen Risiko anfreunden, das
theoretisch unbegrenzt ist. Fallen konnten die Kurse nur bis null, aber steigen
konnten sie unendlich.
Eine
gute Investition zeichnet sich dadurch aus, dass man für Risiken angemessen
entschädigt wird. Und Burry gewann allmählich den Eindruck, dass das in seinem
Fall nicht so war. Das Problem beschränkte sich nicht auf spezifische Titel.
Die Internetblase war geplatzt, und doch stiegen die Häuserpreise in San Jose,
dem Epizentrum der Blase, immer weiter. Er befasste sich mit den Aktien von
Eigenheimbauern und dann mit den Aktien von Unternehmen wie PMI, die
Eigenheimhypotheken versicherten. Einem Freund - selbst ein hochkarätiger
Investmentprofi von der Ostküste - schrieb er im Mai 2003, dass die
Immobilienblase durch das irrationale Verhalten der Hypothekengeber, die
großzügig Kredite ausreichten, zusätzlich aufgebläht würde. »Du musst nur
darauf achten, wann die nahezu unbegrenzte oder beispiellose Kreditvergabe den
[Häuser-] Markt nicht mehr weiter in die Höhe treiben kann«, schrieb er. »Ich
bin da sehr pessimistisch und glaube, dass das bei Wohnimmobilien in den USA
locker zu einem Einbruch um 50 Prozent führen könnte... Ein großer Teil der
derzeitigen Nachfrage [nach Wohneigentum] zu den aktuellen Preisen würde
wegfallen, sobald den Leuten klar wird, dass die Preise nicht weiter steigen.
Die Kollateralschäden dürften eine Größenordnung haben, die die schlimmsten
Befürchtungen übertrifft.«
Als
er sich Anfang 2005 dazu entschloss, gegen den Markt für Subprime-Hypothekenanleihen
zu spekulieren, war das erste Problem, auf das er dabei stieß, dass die Investmentbanken
der Wall Street, die ihm Kreditausfallversicherungen verkaufen konnten, die Angelegenheit
für weitaus weniger dringlich hielten als er. Mike Burry glaubte, seine Wette
sofort abschließen zu müssen, bevor der US-Häusermarkt zu sich kam und wieder
vernünftig wurde. »Ich rechnete nicht damit, dass sich die zugrunde liegenden
Hypothekenpools vor Ablauf mehrerer Jahre fundamental verschlechtern würden«,
erklärte er - dann nämlich, wenn die Lockzinsen auslaufen und die Monatsraten
in die Höhe schießen würden. Doch er war überzeugt, dass der Markt irgendwann
erkennen würde, was er sah, und seine Haltung entsprechend korrigieren würde.
Irgendjemand an der Wall Street musste doch merken, wie drastisch die Risiken
minderwertiger Hypotheken gestiegen waren, und den Preis für die Versicherung
dagegen entsprechend heraufsetzen. »Das fliegt mir noch um die Ohren, bevor ich
diese Transaktion unter Dach und Fach bringen kann«, schrieb er in einer
E-Mail.
Da
Burry sein Leben per E-Mail lebte, führte er unbeabsichtigt Buch über die
Entstehung eines neuen Marktes aus Sicht seines ersten Privatkunden. Das
Erstaunliche daran ist im Rückblick, wie schnell die Wall-Street-Firmen, die
eben noch keine Ahnung gehabt hatten, wovon Mike Burry sprach, als er sich
telefonisch nach Credit Default Swaps auf minderwertige Hypothekenanleihen
erkundigte, ihr Geschäft zentral auf diesen neuen Derivatetyp ausrichteten. Auf
ganz ähnliche Weise hatte auch der ursprüngliche Markt für minderwertige
Hypothekenanleihen das Licht der Welt erblickt - wüst ins Dasein geschubst von
einer Handvoll Leuten aus den Randsphären der Hochfinanz, die ein
Weitere Kostenlose Bücher