Lewis, Michael
Jahrzehnt
gesponsert, was, wie er einräumte, zum Teil daran lag, dass dieser Name einfach
besser klang als Association for Subprime Lending (Verband für die Vergabe
fragwürdiger Kredite). Wenn es in dem Markt für mit minderwertigen Hypotheken
unterlegte Anleihen überhaupt einen charakterstarken Menschen mit klaren
Moralvorstellungen gab, dann John Devaney. Er liebte es, seinen Reichtum zur
Schau zu stellen. Ihm gehörten ein Renoir, ein Flugzeug der Marke Golfstream,
ein Helikopter und natürlich eine Jacht. In diesem Jahr hatte er eine enorme
Summe bezahlt, weil er unbedingt den US-amerkanischen Komiker Jay Leno als
Unterhaltungskünstler in Las Vegas dabei haben wollte.
Völlig
verknittert, als hätte er die Nacht durchgezecht, ohne auch nur ein kurzes
Nickerchen zu machen, hielt John Devaney aus dem Stegreif eine Schimpftirade
über den damaligen Status des Subprime-Marktes. »Es war unglaublich«,
schilderte Charlie Johns Auftritt. »Bewusstseinsstrom. Dann ließ er sich
darüber aus, weshalb Ratingagenturen moderne Huren seien. Und weshalb die
Wertpapiere wertlos seien. Und dass alle Bescheid wussten. Er hat genau das
formuliert, worüber wir nur Vermutungen anstellen konnten. Er hat so richtig
aus dem Nähkästchen geplaudert. Als er fertig war, herrschte Totenstille.
Niemand versuchte auch nur im Ansatz, sich auf eine Diskussion mit ihm
einzulassen. Sie steckten alle ihre Köpfe zusammen und taten so, als hätte er
kein Wort gesagt.«*
* Als der Markt zusammenbrach, ging Devaney pleite und
musste seine Jacht, sein Flugzeug und seinen Renoir (mit einem hübschen Gewinn)
verkaufen und sich gegen ein paar Schmähartikel zur Wehr setzen. »Man muss
schon eine ehrliche Haut sein, um Fehler zugeben zu können«, schrieb er in
einem von mehreren ausführlichen Leserbriefen, die über PR Newswire
veröffentlicht wurden. »2007 war ich in Long-Position und habe mich getäuscht.«
»In seinem Zynismus über den Markt kannte er so gut wie
keine Grenzen«, sagte Charlie. »Und er hat Geld verloren. Das habe ich nicht
gewusst.«
Einerseits
war es sicherlich faszinierend, dabei zu sein, wenn ein Insider die Hosen
herunterließ und lauthals verkündete, wie er die Dinge sah. Andererseits musste
dieser Wahnsinn doch aufhören, wenn seine Rede in das Bewusstsein des Marktes
vorgedrungen wäre. Charlie, Jamie und Ben kamen zu dem Schluss, dass sie es
sich gut überlegen sollten, ob sie noch mehr Credit Default Swaps auf mit AA
bewertete Tranchen von minderwertigen CDOs kaufen wollten. »Mit seiner Rede
hat er uns kalt erwischt«, beschrieb Ben ihre Gefühle. »Wir hatten den
Eindruck, als bliebe uns nur noch eine Woche Zeit, um unsere Geschäfte
abzuwickeln, und keine sechs Monate.«
Das
Problem lag wie immer darin, Wall-Street-Unternehmen zu finden, die mit ihnen
Geschäfte machen wollten. Ihre einzige Bezugsquelle, Bear Stearns, schien mehr
daran interessiert zu sein, mit ihnen Schießen zu gehen, als Handel abzuschließen.
Alle anderen Firmen taten sie als Witzfiguren von Cornhole Capital ab. Doch in Las Vegas holte
sie das Glück ein. Zu ihrer Überraschung fanden sie heraus, dass ihr Berater
David Burt, den sie eingestellt hatten, damit er ihre CDOs analysiert, Respekt
in der Branche genoss. »David Burt war so etwas wie ein Gott in Las Vegas«,
erzählte Charlie. »Wir haben uns einfach an seine Fersen geheftet. >Hey, der
Typ, mit dem ihr gerade geredet habt, steht auf unserer Gehaltsliste. Wollen
wir uns nicht auch ein wenig unterhalten?<« Dieser »Gott« stellte Charlie
eine Mitarbeiterin von Morgan Stanley namens Stacey Strauss vor. Ihr Job war
es, so schnell wie möglich an Investoren zu kommen, die Credit Default Swaps
kaufen wollten. Charlie konnte sich nicht erklären, weshalb sie die bei Morgan
Stanley geltenden Vorschriften brechen und mit Cornwall Geschäfte machen
wollte. Außerdem belästigte Charlie einen Mann, der den Markt für minderwertige
hypothekenunterlegte Anleihen im Auftrag der Wachovia-Bank analysierte und an
der Podiumsdiskussion mitwirken sollte, die ursprünglich im Anschluss von John
Devaneys schockierendem Auftritt geplant war, aber wie alle anderen tat auch er
so, als habe er nichts mitbekommen. Als Devaney mit seiner Tirade fertig war,
hielt der Typ von Wachovia einen kleinen Vortrag darüber, wie gut der Markt
für Subprime-Hypothekenanleihen doch dastünde. Als er von der Bühne ging,
pirschte sich Charlie an ihn heran und fragte ihn, ob Wachovia denn nicht
interessiert
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