Lewis, Michael
saß er neben dem Kerl aus Fleisch
und Blut, der die andere Seite seiner Credit Default Swaps repräsentierte. Und
mit einem Mal war es ihm klar: Die durch die CDOs gefilterten Credit Default
Swaps wurden verwendet, um die durch tatsächliche Hypotheken gesicherten
Anleihen zu replizieren. Es gab einfach nicht genug Amerikaner mit mangelhafter
Bonität, die einen Eigenheimkredit aufnahmen, um den Hunger der Investoren auf
das Endprodukt zu stillen. Die Wall Street war auf seine Spekulationen
angewiesen, um künstlich mehr davon zu erzeugen. »Sie gaben sich nicht damit
zufrieden, dass es jede Menge von an sich kreditunwürdigen Darlehensnehmern
gab, die Geld aufnahmen, um sich ein Haus zu kaufen, das sie sich im Grunde gar
nicht leisten konnten«, sagte Eisman. »Sie haben einfach welche erfunden -
hundert Mal so viel, wie es eigentlich gab! Und das war der Grund, weshalb die
Verluste des Finanzsystems so viel höher waren als die Summe der minderwertigen
Anleihen. Damit war mir klar, dass sie uns brauchten, damit ihre Maschinerie
weiterlief. Ich fragte mich allerdings: Ist das denn zulässig?«
Wing
Chau ahnte nicht, dass er von Greg Lippmann auserwählt worden war, um Steve
Eisman davon zu überzeugen, dass die Typen auf der anderen Seite seiner Default
Credit Swaps entweder Betrüger oder Idioten waren, doch er tat genau das.
Zwischen ein paar Gläsern Sake erzählte er Eisman, dass er lieber 50 Milliarden
US-Dollar an Scheiß-CDOs hätte als gar keine, denn der Großteil seines
Einkommens basiere auf dem Auftragsvolumen. Weiterhin erzählte er Eisman,
seine größte Befürchtung sei, dass die amerikanische Wirtschaft einen Aufschwung
erlebe, was die Hedgefonds davon abbringen könnte, größere Wetten gegen den
Subprime-Hypothekenmarkt abzuschließen. Eisman hört ihm zu und versuchte
nachzuvollziehen, wie in aller Welt ein Investor der Gegenseite seine Hoffnung
auf genau dieselbe Entwicklung setzte wie er selbst - und wie
Versicherungsgesellschaften oder Pensionskassen auf die Idee kamen, ihr Kapital
Wing Chau anzuvertrauen. Es gab nur eine Antwort: Die Bewertung mit AAA war
die Ausrede für jedermann, die Risiken, die eingegangen worden waren, zu
ignorieren.
Danny
und Vinny beobachteten die beiden aufmerksam durch die Hibachi-Dämpfe hindurch.
Soweit sie das beurteilen konnten, kamen Eisman und Wing Chau prima miteinander
klar. Doch als die Teller abgeräumt waren, sahen sie, wie Eisman sich Greg
Lippmann schnappte, auf Wing Chau deutete und ihm zuraunzte: »Was immer der
Kerl kauft - ich will es leerverkaufen.« Lippmann dachte, Eisman mache einen
Witz, aber da täuschte er sich. Es war Eismans voller Ernst, speziell gegen
Wing Chau zu spekulieren. »Greg«, insistierte Eisman. »Ich will seine
Wertpapiere leerverkaufen. Und zwar unbesehen.« Bislang hatte Eisman nur
Credit Default Swaps auf mit minderwertigen Hypotheken unterlegte Anleihen
gekauft, doch von nun an wollte er ganz spezifisch Credit Default Swaps auf
Wing Chaus CDOs kaufen. »Endlich hatte er dem Feind ins Auge gesehen«, meinte
Vinny.
In
einem Versuch, das Leben eines anderen auszuprobieren, griff sich Charlie
Ledley eine Beretta, eine abgesägte Schrotflinte und eine Uzi. Kurz vor seiner
Abreise nach Las Vegas hatte er seinem Partner Ben Hockett, den er auf der
Tagung treffen wollte, und Jamie Mai, der nicht mitkommen wollte, noch schnell
eine E-Mail geschickt. »Glaubt ihr, wir sind außen vor, weil wir zu keiner
Veranstaltung angemeldet sind?«, hatte er sie gefragt. Es war nicht das erste
Mal, das Cornwall Capital von einer großen Sache im Markt gehört hatte, zu der
sie nicht eingeladen waren, was sie dann kurzentschlossen selbst übernahmen,
und es sollte auch nicht das letzte Mal sein. »Wenn man erst mal vor Ort ist«,
meinte Jamie, »wird man in der Regel auch hineingelassen.« Die einzigen Leute,
die Charlie zumindest vom Namen her kannte und die in Las Vegas sein würden,
waren ein paar Leute aus Bear Stearns Maschinerie für Subprime-Hypotheken, aber
er musste zugeben, sie noch nie persönlich gesehen zu haben. Wie auch immer,
zumindest hatten sie ihn per E-Mail darüber informiert, dass er nach seiner
Landung in Las Vegas zu dieser Schießanlage kommen sollte, ganz in der Nähe des
Las Vegas Strip, der bekanntesten Straße der Stadt. Die E-Mail begann mit den
Worten: »Am Sonntag gehen wir schießen ... « Charlie war so perplex, dass er
dort anrief, um nachzufragen, was genau damit gemeint sei. »Ich konnte es
nicht fassen
Weitere Kostenlose Bücher