Lewis, Michael
2007
beschlossene Sache gewesen war, unter Dach und Fach waren, und bis das Geschäft
endlich abgeschlossen war, war es Anfang Mai. »Wachovia war ein Geschenk
Gottes«, sagte Ben. »Wir hatten das Gefühl, als säßen wir in 10 000 Meter Höhe
in einem Flugzeug, dessen Triebwerke ausgefallen waren. Doch Wachovia hatte
noch ein paar Fallschirme übrig, die sie uns verkaufen wollten. Sonst bot kein
anderer mehr Fallschirme an, aber andererseits glaubte auch niemand ernsthaft
daran, dass man sie brauchen könnte... Kurz danach war der Markt dann dicht.«
In
einem Portfolio von weniger als 30 Millionen US-Dollar hielt Cornwall Capital
nun Credit Default Swaps auf Subprime-Hypothekenanleihen über 205 Millionen
US-Dollar, und das Einzige, was ihnen daran nicht gefiel, war die Tatsache,
dass sie nicht mehr davon besaßen. »Wir haben wirklich alles versucht, um an
mehr Credit Default Swaps ranzukommen«, erzählte Charlie. »Wir machten Angebote
zum Emissionspreis. Sie riefen uns dann zurück und sagten: >Uuups, um ein
Haar hätten Sie den Zuschlag bekommen.< Irgendwie hat uns das stark an
Charlie Brown und Lucy erinnert. Wir wollten gern ein Tor schießen, und dann
nahm man uns den Ball weg. Sobald wir mehr boten, erhöhte sich der Preis.«
Es
ergab einfach keinen Sinn: Auf dem Markt für Subprime-CDOs lief alles wie
immer, aber die großen Wall-Street-Firmen hatten mit einem Mal keine Verwendung
mehr für die Investoren, die noch vor Kurzem die Maschinerie mit Rohmaterial
versorgt hatten - und zwar die Investoren, die Credit Default Swaps kaufen
wollten. »Offensichtlich engagierten sich andere auf der Long-Seite, doch wir
durften nicht mehr in Short-Position gehen«, schilderte Charlie die Lage.
Er
konnte nicht sicher sein, was in den großen Firmen gerade vor sich ging, aber
er hatte da eine Vermutung: So mancher der mit diesen Geschäften befassten
Trader war angesichts der drohenden Katastrophe wohl aufgewacht und versuchte
verzweifelt, heil aus dem Markt herauszukommen, bevor dieser zusammenbrach.
»Bei den Typen von Bears hatte ich den Verdacht, dass sie auf eigene Rechnung
sämtliche Credit Default Swaps auf CDOs kauften, die sie noch erwischen
konnten«, sagte Charlie. Ende Februar veröffentlichte Gyan Sinha, ein Analyst
bei Bear Stearns, eine seitenlange Abhandlung, in der er die These aufstellte,
dass der jüngste Wertverlust der Subprime-Hypothekenanleihen nichts mit der
Qualität dieser Anleihen zu tun habe, sondern rein auf die »Marktstimmung«
zurückzuführen sei. Charlie las dieses Traktat und kam zu dem Schluss, dass
sein Verfasser keine Ahnung hatte, was sich derzeit auf dem Markt abspielte.
Dem Analysten von Bear Stearns zufolge wurden mit AA bewertete CDOs 75
Basispunkte über dem risikolosen Satz gehandelt - was bedeutete, dass es
Charlie eigentlich möglich sein sollte, Credit Default Swaps für 0,75 Prozent
an Jahresversicherungsprämie zu kaufen. Die Händler von Bear Stearns waren dagegen
nicht bereit, sie ihm zum fünffachen Preis zu verkaufen. »Ich rief den Typen an
und sagte zu ihm: >Wovon zum Teufel reden Sie eigentlich?< Er antwortete
mir: >So sind eben die Notierungen.«< Ich fragte ihn: >Stimmt das
wirklich, dass zu diesem Preis ge- und verkauft wird?< Seine Antwort
lautete: >Ich muss jetzt gehen.< Sprach's und legte auf.«
Ihr
Verhalten ließ keine Fragen mehr offen - es war ganz so, als ob sie eine
günstige Brandschutzversicherung für ein Haus ergattert hätten, das schon in
Flammen stand. Wenn dem Markt für minderwertige Hypotheken auch nur im
Entferntesten an Effizienz gelegen gewesen wäre, hätte er an diesem Punkt auf
der Stelle dicht machen müssen. Über 18 Monate, von Mitte 2005 bis Anfang 2007,
war die Diskrepanz zwischen den Kursen von Subprime-Hypothekenanleihen und dem
Wert der ihnen zugrunde liegenden Kredite größer und größer geworden. Ende
Januar 2007 gerieten die Anleihen - oder vielmehr der ABX-Index, der sich aus
diesen zusammensetzte - ins Rutschen, zunächst nur ganz langsam und dann
rasant. Anfang Juni schloss der Index für mit BBB bewertete Subprime-Anleihen
bei Werten zwischen 65 und 70 - was bedeutete, dass die Anleihen über 30
Prozent ihres ursprünglichen Wertes verloren hatten. An sich wäre es logisch
gewesen, wenn die CDOs, die aus diesen mit BBB bewerteten minderwertigen Anleihen
zusammengestellt worden waren, ebenfalls abstürzten, schließlich lässt sich
aus verfaulten Orangen nun mal kein wohlschmeckender Orangensaft pressen.
Doch
genau
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