Lewyn - Die Halbelbin: Reise durch Garnadkan (German Edition)
der Aufprall. Einige Zweige und Äste brachen, als die Kriegerin nach unten durchrutschte. An der Wurzel des schräg gewachsenen Gehölzes wartete sie ziemlich zerkratzt auf den Freund. Der folgte ihr gerade. Lautes Krachen kündete von seinem Nahen.
„Der nächste Sturz wird nicht weniger unsanft. Aber hier gibt die Wand Händen und Füßen noch keinen Halt“, meinte sie.
„Nun, dann wissen wir endlich, wie sich ein Vogel fühlen muss.“
„Vergiss nicht den Flug auf dem Rücken des Drachen.“
„Das war etwas anderes, es war wesentlich sicherer.“
Da ihnen die Feinde von oben ihre Pfeile nachsandten, überlegten die Beiden nicht mehr lange. Soh’Hmil hatte den nächsten Baum fest in seinen Blick gefasst. Dann stieß er sich ab. Auf diese Weise legten die Freunde etwa zwei Drittel der Höhe zurück. Den Rest konnten sie klettern, wobei ihnen das recht schwer fiel. Die Stürze in die Bäume mit ihren brechenden Ästen hatten Spuren hinterlassen und Kraft gefordert.
Die Nacht zog bereits sternenlos über das Land, als der Elb und die verstoßene Prinzessin den Grund der Schlucht erreichten. Sie hatten gehofft, hier wenigstens für ein paar Augenblicke Luft holen zu können. Doch zum einen begannen ihre Verfolger jetzt, die Wand herunterzukommen und zum anderen trafen sie am Boden auf die Raubtiere. Die Gejagten holten vorerst die kletternden Goriebs mit Pfeilen aus der Wand. Einige stürzten freundlicherweise ohne ihr Zutun zu Tode. Entweder verfehlten sie die Bäume beim Sprung oder andere des Trupps stießen sie in der Eile aus dem sicheren Halt. Als sich Gegner am Boden näherten, wurde es schwierig, sich noch länger zu behaupten.
„Lauf!“ Von der rechten Seite her kamen einige der großen Raubtiere mit der schnabelartigen Schnauze. Die Kriegerin hoffte, dass sie nicht den Nächsten direkt entgegen rannten. Aber genau das war der Fall. Hinter diesen Feinden kam endlich Cadar mit den Tieren. Als der die Not seiner Tochter und des Heerführers erkannte, sprang er vom Pferd. Die Tiere kämpften ihrerseits mit gegen die stinkenden Kreaturen. Ihre Hufe waren wirksame Waffen.
Der Renaorianer hatte während des Laufs sein Schwert aus der Decke gerissen. Heftig und mit Magie versehen, wütete die Klinge. Als der Blick der Erbin der Macht darauf fiel, war sie einen Augenblick starr. Sie sah das schwarze Schwert in der Hand des Mannes. Auch wenn die Klinge nicht mehr von dunkler Färbung war, erkannte sie die Waffe sofort. Oft genug hatte sie Defalgen erblicken müssen. Nun war das furchtbare Schwert zurückgekehrt. Was hatte das zu bedeuten?!
„Lewyn!“ Die Warnung kam gerade noch rechtzeitig. Schnell hatte sich die Kriegerin geduckt. Die beiden Bestien stießen im Sprung zusammen. Es waren aber nicht die letzten ihrer Art. Immer mehr von den finsteren Geschöpfen und ebenfalls von den verhornten Kreaturen trieben die beiden Elben und den Menschen zusammen. Es war eine ungeheure Übermacht, die gegen die Verfolgten stand. Das war selbst für Yar’nael zu viel.
„Auf die Pferde!“ Dabei sah die erstarkende Magierin zu, dass sie zwischen die Männer kam. Als die auf dem Rücken ihrer Tiere saßen, fasste sie zu ihnen hinüber. Erschrocken wandten Soh’Hmil und Cadar den Kopf zu ihr. Sie ahnten, was die Dreiundzwanzigjährige vorhatte. Kurz darauf verhallte der Kampflärm. Endlich verzog sich der weiße Dunst.
„Du hast es tatsächlich geschafft! Du hast uns dem Tod entrissen. Aber wie geht es dir jetzt? Wirst du reiten können? Wir wissen nicht, ob der Feind auch hier auf uns lauert. Wo befinden wir uns eigentlich?“ Der Elb war besorgt, aber ebenso erstaunt. So lange hatte die junge Frau versucht, ihre Gabe zu testen. Selbst das Bewegen von Gegenständen, das sie bereits als kleines Mädchen erlernt hatte, war wieder und wieder fehlgeschlagen. Aber gerade zur rechten Zeit hatte sie sich und ihre Begleiter aus der Gefahr heraus bringen können.
„Ich brauche ein wenig zu essen, dann werde ich mich im Sattel halten können.“ Sie grinste ihm glücklich entgegen. Auch für sie war der Erfolg ihrer Anstrengung überraschend. „Meine Kraft, sie kehrt langsam zurück. Ich bin erstaunt, dass es mir jetzt so gut geht. Dennoch sollten wir schnell weiter. Noch einmal werde ich uns in nächster Zeit nicht helfen können. Im Moment befinden wir uns zwar in Pendaros, aber die Dunkelheit schreitet sogar hier weiter voran. – Erkennst du diesen Flecken nicht wieder? Wir kamen schon einmal hier entlang.“
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