Lewyn - Die Halbelbin: Reise durch Garnadkan (German Edition)
näherte sich die Zwanzigjährige im Schutze der Dunkelheit dem kleinen Gebäude. Dann spähte sie vorsichtig durch ein geöffnetes Fenster. Von ihrem jetzigen Standort aus konnte sie nichts erkennen. In diesem Moment wurde die Tür geöffnet und ein schweißgebadeter Mann kam heraus. Er hielt einen Eimer in der Hand, den er ins Freie entleerte. Schnell war er wieder im Inneren verschwunden. Die Kriegerin folgte.
„Hinter dir!“, schrie die Frau entsetzt. Dann erkannte sie den Eindringling. „Ihr? Was wollt Ihr in diesen verfluchten Landen?“ Sie hielt ein Neugeborenes in ihren Armen. Das also hatte die entmachtete Magierin gehört.
Lautlos schloss Lewyn die Tür hinter sich und trat vollends ein. „Verzeiht, wenn ich so ungebeten zu euch komme.“ Dann hatte sie wieder die Waffen in der Hand, aber nur, um sie sogleich zurückzustecken. Aus einem Nebenraum kamen ein paar Männer herausgestürzt. Sie waren bewaffnet, erkannten den einstigen Gast Nagranors aber sofort.
„Verzeih Enira, wir glaubten dich in Gefahr.“
„Was ist geschehen? Ich sehe die Stadt vernichtet. Ich glaubte, alle wären gegangen. Doch nun finde ich euch.“
„Ihr sagtet uns, der Feind würde in großer Stärke zurückkehren. So zog Aschiel mit uns in Richtung Agonthalith. Wir aber gehörten zu den Wenigen, die die Heimat nicht verlassen wollten. Wir gingen zurück. Dabei waren wir nicht so dumm, uns direkt in der Stadt wieder niederzulassen. Wir zogen zum Fuß der Berge. Dort warteten wir, bis eintraf, was Ihr prophezeit habt. Das war sehr schnell, kaum dass wir zurück waren. Aus sicherer Entfernung mussten wir mit ansehen, wie sie Nagranor in Grund und Boden stampften. Ihr hattet leider Recht. Dennoch wollen wir einen Neuanfang in der Heimat wagen. Wir hoffen darauf, dass der Feind nicht noch einmal seine Schritte hierher lenkt.“
„Ihr solltet euch nicht darauf verlassen. – Weshalb seid ihr wieder hier? Ihr könnt ebenfalls an anderer Stelle neu beginnen.“ Dabei wusste die Verbannte doch am Besten, dass dies ziemlich schwer werden konnte.
„Unsere Väter, deren Väter und wiederum die Väter deren Väter lebten schon hier. Es ist unsere angestammte Heimat. Muss man die verlassen, ist es so, als ob einem das Herz herausgerissen wird. Könnt Ihr das verstehen?“
„Besser als Ihr denkt“, sagte sie leise. „Die anderen, sie sind alle dem Tod entgangen?“
„Wir erhielten Nachricht, dass fast alle in der großen Stadt angekommen sind. Aschiel hat sie gut geführt. Er soll seither zum Rat des Königs gehören. Mehr wissen auch wir nicht.“
„Habt ihr alles, was ihr braucht? Kann ich Eurer Frau helfen? Ich verstehe mich auf die Kunst des Heilens.“ Enira und ihr Mann verneinten. Das Kind war geboren und es ging ihm gut, wie der Mutter.
„Ihr seid hier nicht sicher. Zieht euch wenigstens weiter in die Berge zurück. Befestigt eure Häuser gut und hofft, dass die dunklen Schergen euch nicht finden. Oder folgt Aschiel. Lebt wohl.“
„Ihr wollt schon weiter? Das müsst Ihr nicht. Gern würden wir Euch unseren Gast nennen.“
„Das ist sehr freundlich, aber ich bin auf der Suche nach einer Antwort. Ich muss gehen.“ Mit diesen Worten war sie bereits bei der Tür und einen Augenblick später durch diese auch lautlos verschwunden.
Lewyn war froh, dass die Menschen Nagranors hatten entkommen können. Sie war zudem nicht über die Nachricht erstaunt, dass Aschiel nun zu des Königs Getreuen gehörte. Er hatte sich als sehr weiser Führer erwiesen.
Bereits am nächsten Morgen hatte die Zwanzigjährige eine weitere Begegnung. Es war ein Elb aus Let’weden, besser gesagt aus Leranoth. Er war einer derjenigen, der in die fernen Lande gereist war, um altes Wissen zusammenzutragen. Endlich befand sich Mahagil auf dem Heimweg.
„Lewyn, was machst du so fern von Leranoth?“
So kurz wie es nur ging berichtete die Verstoßene, was sich in der Stadt der Könige zu Beginn des letzten Winters ereignet hatte. Es fiel ihr sichtlich schwer.
„Dann sind die Gerüchte also war! Ich nahm an, der Feind hätte sie verbreitet, um den Völkern den Mut zu nehmen. Welch furchtbare Wendung des Schicksals. Hoffen wir, dass Wengor schnell Antwort erfährt und dich zurück nach Let’weden holt.“ Er war sehr betroffen, ja erschüttert. So viel Dummheit hätte er niemandem in seinem Volk zugetraut.
„Mahagil, ich habe eine sehr wichtige Botschaft an die Königin. Sie weiß von dem Tunnel, den ich im vergangenen Jahr durch Zufall
Weitere Kostenlose Bücher